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„Agni“ und „Ama“:  Das Prinzip der Ayurvedischen Reinigung und Entschlackung

„Agni“ und „Ama“: Das Prinzip der Ayurvedischen Reinigung und Entschlackung

30.01.2020 | von Norbert W. Fischer | Zahlreiche Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt und viele Veröffentlichungen in Zeitschriften und Magazinen über den Ayurveda belegen das Interesse an dieser Lehre mit dem wohlklingenden Namen aus dem fernen Osten. Teure Hochglanzbroschüren verkünden Sensationelles: vierhändige Synchron-Öl-Massagen reinigen, entschlacken und verjüngen den Körper und unter einem feinen Ölstrahl zerfließen Sorgen und glätten sich Falten. Eine Therapie aus "Tausend und einer Nacht", der "dernier crie" der Naturheilkunde, der unsere Malaisen noch schneller und effizienter aus der Welt schafft? Mitnichten!

Die Bedeutung von Agni, dem Verdauungsfeuer


Photo by Jannes Jacobs on Unsplash

Der Zustand eines Körpers, der "nur" einer Reinigung und Entschlackung bedarf, ist nach ayurvedischer Auffassung bereits krank. Seine Symptome werden den ersten beiden Stufen einer sechsstufigen Krankheitsentwicklung zugeordent. Wird nicht bereits hier kausal behandelt, schreitet die Krankheit langsam und schleichend fort, bis sie in einen schweren bzw. chronischen Zustand übergeht – in die vierte, fünfte oder gar sechste Stufe der Krankheitsentwicklung.
Ayurvedische Reinigung und Entschlackung gelingt nicht nach dem bekannten und uns eher vertrauten Prinzip: "man nehme eine Prise Ingwer, zwei Prisen Kurkuma ...". Sie hat nur dann einen Sinn, wenn sie eingebettet wird in eine insgesamt neue oder andere Sichtweise von einem selbst in Beziehung zu seiner Umwelt und von einem anderen Verhalten. Der Ayurveda ist eine Therapie, die die aktive Mitarbeit des Patienten fordert. Im Gegensatz zur westlichen Medizin legt er die Verantwortung für Gesundheit und Glück in die Hand des Patienten – und nicht in die des Therapeuten. Dieser soll nach Auffassung des Ayurveda nur helfen, die Ursachen für die der Krankheit zugrundeliegenden Disharmonien oder Konflikte bewußt zu machen und zusammen mit dem Patienten den "inneren Arzt" moblisieren.
Sushruta, ein berühmter ayurvedischer Arzt (1000 Jahre v. Chr.) prägte den folgenden umfassenden Gesundheitsbegriff. Nach Auffassung des Ayurveda ist der Mensch gesund, "dessen Physiologie (doshas) im Gleichgewicht ist, dessen Verdauung und Stoffwechsel (agni) gut arbeiten, dessen Gewebe (dhatu) - und Ausscheidungsfunktionen (mala) normal sind und dessen Seele, Geist und Sinne sich im Zustand dauerhaften, inneren Glücks befindet."
Demnach ist die Erhaltung eines dynamischen Gleichgewichts der Doshas und das gute Funktionieren von Agni ausschlaggebend für die Erhaltung, bzw. Wiederherstellung der Gesundheit. Grund genug, sich kurz mit diesen beiden Begriffen zu beschäftigen und den Zusammenhang zum ayurvedischen Verständnis von Reinigung und Entschlackung herzustellen.

Der Mensch ist das Abbild des Universums

Die Grundaussage des Ayurveda ist, daß das Universum als Makrokosmos und der Mensch als Mikrokosmos in einem direkten Zusammenhang stehen, sich widerspiegeln. Das eine ist jeweils im anderen vorhanden. Caraka, der wohl bekannteste Ayurveda-Arzt des alten Indiens beschrieb die Beziehung zwischen dem Menschen und dem Universum folgendermaßen: "Der Mensch ist das Abbild des Universums. Was immer den Menschen in seiner Verschiedenheit ausmacht, formt auch das Universum. Die Teile, die das Universum bilden, formen wiederum den Menschen." 
Mit diesen "Teilen" sind die "Fünf Elemente" gemeint, die Bausteine des Universums, die immer zusammen, jedoch in unterschiedlicher Ausprägung die gesamte Schöpfung durchdringen und die wir anhand ihrer verschiedenen Eigenschaften durch unsere fünf Sinne erfahren können.

Das Wirkungsprinzip der Doshas

Diese fünf Grundelemente manifestieren sich in ihrer dynamischen Form als drei "Doshas". "Dosha" heißt aus dem Sanskrit übersetzt: "das, was sich verändern und verderben kann". Wir können die Doshas am besten als Bioenergien, als Wirkprinzipien oder als Regulationssysteme begreifen. Bewegegung (Vata), Stoffwechsel (Pitta) und Strukur (Kapha), diese drei Prinzipen wirken in jeder Zelle, in jedem Organ und Organsystem. Sie bestimmen die Funktionsweise unseres Organismus, sie zeigen sich auf der geistigen und emotionalen Ebene, in der Nahrung und auf der Ebene des Verhaltens genauso wie in der Umwelt. Auch die Tages- und Jahreszeiten, die Lebensabschnitte, die Nahrungsmittel, unser Denken, unsere Emotionen, Wünsche, Vorlieben und Abneigungen unterliegen dem Wirkprinzip der Doshas. Das Tri-Dosha Konzept erklärt die Wechselbeziehungen all dieser Dinge untereinander und beschreibt die Einbettung der menschlichen Natur in die Gesetze des Universums.

Das erste Lebensdrittel, der Frühling, der Vormittag und der frühe Abend unterliegen den anabolen Qualitäten des Kapha-Dosha;  in der Lebensmitte, mittags, mitternachts, sowie im Hochsommer wirkt die durchdringende und verwandelnde Kraft des Pitta-Doshas; die energetisierenden und gleichzeitig katabolen Eigenschaften des Vata-Doshas prägen die Zeit am sehr frühen Morgen, am Nachmittag, im trocken-kalten Winters und die Zeit zwischen dem 60. - 90. Lebensjahr. Auch der Wechsel der Jahres- und Tageszeiten, die Rhythmen und Phasen der Natur unterliegen dem Wirkprinzip der Doshas und beeinflußen unseren Körper und Geist.
Wenn wir das Auf und Ab der Doshas in der Umwelt und in den Phasen erkennen, können wir den richtigen Gebrauch von der Zeit machen und ihre Qualität für das Bewahren unseres Gleichgewichts ausnutzen. Bewahrung eines dynamischen Gleichgewichts der Doshas bedeutet körperliche, geistige und emotionale Gesundheit. Das Nichtbeachten dieser Einflüße kann zum Ungleichgewicht der Doshas und folglich zur Krankheit führen. Caraka schreibt: "Die Ursachen von Krankheiten des Körpers wie auch des Geistes sind dreifach: falscher, fehlender und übermäßiger Gebrauch von Zeit, Verstand, Sinnen und Objekt."

Die drei Konstitutionstypen Vata, Pitta, Kapha

Mit der Zeugung wird die für jeden Menschen individuelle Verteilung der Doshas festgelegt. Die vorherrschenden Doshas prägen unsere körperlichen, geistigen und emotionalen Merkmale und erklären unser unterschiedliches Verhalten gegenüber äußeren Bedingungen. Sie bilden unsere "Konstitution" und erklären, warum der eine von uns eher zu diesen Krankheiten, der andere eher zu jenen neigt.
In der Regel spricht man vom Vata-, Pitta- oder Kapha-Typen. Neben den seltenen "reinen" Typen begegnen wir in der Regel eher den Mischtypen: Menschen mit einer Vata-Pitta, Vata-Kapha, Kapha-Pitta, und Vata-Pitta-Kapha Konstitution. Im Ayurveda heißt es, daß jeder Mensch mit den Eigenschaften ausgestattet ist, die ihm zur Bewältigung seiner spezifischen Lebensaufgabe dienlich sind. Ein tröstlicher Gedanke: so wie wir sind, sind wir richtig.

Der Schlüssel zum Verständnis des Ayurveda liegt in der Beschäftigung mit den Doshas. Das folgende Zitat aus den alten ayurvedischen Schriften ermuntert uns, unsere Sensibilität und Wahrnehmungsfähigkeit davon zu erhöhen, wie Umwelt, Ernährung, Verhalten, Gedanken, Gefühle auf uns wirken und wie wir wiederum durch unser Denken und Handeln die feinstofflichen Energien und folglich auch deren grobstoffliche Manifestationen im Kosmos beeinflussen, denn: "Keine Erfahrung,  keine Handlung, kein Wort, kein Gedanke, keine Erscheinung oder Substanz, die mit dem Körper oder der Psyche in Kontakt kommt, verfehlt es, einen Einfluß auf die drei Doshas auszuüben, wir gering er auch immer sein mag."  

Das Ziel ist ein Gleichgewicht der Doshas

Für uns geht es also darum, den Einfluß der auf uns wirkenden Doshas zu erkennen und mit dem Wissen um unsere eigene spezielle Konstitution zu verhindern, daß sich die Doshas vermehren, bzw. unsere Doshas aus dem Gleichgewicht geraten. Tun sie das, dann "sammeln" sich die Doshas an ihren Hauptorten im Körper und bilden "Ama". Ama bedeutet soviel wie "unreif" oder "unverdaut". Im Ayurveda werden unter diesem Begriff hauptsächlich aus unverdauten Nahrungbestandteilen herrührende Stoffwechselschlacken zusammengefaßt.
Bei einem Kapha-Überschuß nimmt es die Form von Schleim an, der sich im Magen und Lunge bildet und sich von dort im Körper verteilt. Bei einem Ungleichgewicht von Pitta sammelt sich Ama mit Säuren im Dünndarm, in der Leber und wird von dort über das Blut in den übrigen Körper transportiert, wo es die entsprechenden Pitta-Krankheiten verursacht. Bei zuviel Vata sammelt sich Ama in Form von Gasen im Dickdarm. Von hier gelangt es in das Blut und zu den Nervenzellen und verursacht die typischen Vatastörung.

Das Ayurvedische Verdauungsfeuer wird Agni genannt
Photo by Almos Bechtold on Unsplash
 

"Agni" – Das Verdauungsfeuer und seine Bedeutung

Doshas und Agni stehen in direktem Zusammenhang. Die Vermehrung der Doshas bewirkt in der Regel eine Verschlechterung des Agni, eine Verschlechterung des Agni bewerkt eine Vermehrung der Doshas. Deshalb ist es wichtig, daß alle Konstitutionstypen auf Ihre Verdauungskraft achten. Menschen mit einer ausgeprägten Vata-Konstitution verfügen über ein eher unbeständiges Verdauungsfeuer mit einer unregelmäßigen Verdauung, Pitta-Typen in der Regel über ein ausreichendes, Kapha-Typen über ein träges Verdaungsfeuer und neigen deshalb eher zu einer langsamen und schwerfälligen Verdauung.

Die wichtigen Aufgaben des Agni

Das Verständnis von den "Tri-Doshas", ihre konstitutionelle Ausprägung beim Menschen und vom Agni, dem Verdauungsfeuer, sind für die Erhaltung der Gesundheit, bzw. ihre Wiederherstellung äußerst wichtig. Das richtige Funktionieren von Agni, dem biologischen Feuer, das den Stoffwechsel regelt, ist entscheidend für unsere Gesundheit. "Lebensdauer, Ausstrahlung, Stärke, Gesundheit, Begeisterungsfähigkeit, Körperfülle, Glanz, Immunität, Energie, Wärmeprozesse und vitaler Atem - das alles hängt vom Körperfeuer ab. Man stirbt, wenn dieses Feuer erlischt, man lebt lange frei von Störungen, wenn es seine Aufgabe richtig erfüllt und wird krank, wenn es geschwächt ist, denn Agni liegt all dem zugrunde. Der Aufbau von Gewebe aus Nähstoffen, die Bildung von Ojas, Entwicklung von Stärke und Ausstrahlung hängen von Agni ab, denn aus unverdauter Nahrung kann kein Gewebe aufgebaut werden," und  "Die Nahrungsmittel werden mit Hilfe von Agni verdaut und abgebaut. Die Speisen können nicht aus sich selbst, sondern nur durch Agni den Körper ernähren. So hängt Leben und Tod vom Funktionieren des Agni ab." (Caraka)
Die Sprachbilder wie: "... dann ist der Ofen aus," oder "... sein Leben erlosch" symbolisieren die Bedeutung dieses Feuers, das nicht nur in uns brennt, sondern allem Leben zugrunde liegt und den Schlüssel zu allen Umwandlungen enthält. Agni wandelt alles Körperfremde – Nahrung, Eindrücke, Informationen, Gefühle – in Körpereigenes um. Das Agni hat also mehrere Aufgaben, es ist verantwortlich für die Umwandlung der Nahrung in Körpersubstanz, für den Abbau und die Ausscheidung von Toxinen und Schlacken und damit für die Reinhaltung und Sauberkeit unseres Verdauungstraktes. Frische, Vitalität, Intelligenz sowie Schönheit von Körper und Geist sind die Früchte eines gesunden und starken Agnis. Umgekehrt können sich aufgrund seelischer oder emotionaler Konflikte bei einem geschwächten Agni Körpergifte bilden. Ein Konflikt, ein traumatisches Erlebnis, eine belastende Lebenserfahrung oder eine Kränkung, die nicht "verdaut" worden ist, liegt ebenso schwer im Magen wie eine unverdaute Nahrung, dann "kauen wir an dem Problem" oder es "liegt uns etwas im Magen".

Der Mensch ist, was er verdaut

Im Gegensatz zu der im Westen bekannten Redewendung: "Der Mensch ist, was er ißt" müßte dieser Satz eher lauten: "Der Mensch ist, was er verdaut." Was nützt eine gesunde, vollwertige Ernährung, wenn sie wegen eines geschwächten Verdauungsfeuers nicht richtig verdaut werden kann? Diese unverdaute Nahrung hat die Entstehung von Ama verschiedenster Art zur Folge, wodurch es zu Gährungs- und Fäulnisprozesse im Darm kommt. Es bilden sich verschiedene Alkohole, fehlerhafte Keime siedeln sich in der Mucosa an und in einem späteren Stadium entwickeln sich Pilze, Viren, Bakterien und schaffen die Grundlage für diverse Krankheiten. Eßunlust, Lethargie, Zungenbelag am Morgen, Mundgeruch, übler Geruch der Ausscheidungen, Verstopfung oder Duchfall, Blähungen, Völlegefühl, saures Austoßen, Über- oder Untergewicht, Kopfweh, Müdigkeit, Depressionen, Reizbarkeit, schweres Erwachen, vermehrter Schleim, stumpfer Teint und stumpfe Augen sowie Schwindel und allgemeine Schwäche weisen auf ein gestörtes Agni und eine Ansammlung von Ama hin. Das insgesamt geschwächte Immunsysten bereiten den Weg zu Erkältungen, Grippe, allergische Erkrankungen, Arthritis und anderen Krankheiten.
Auf der emotional-mentalen Ebene zeigen sich bei einem gestörten Agni Symptome wie Antriebslosigkeit, Hoffnungslosigkeit, mangelnde Kreativität, fehlende Begeisterungsfähigkeit und geringes Durchsetzungsvermögen.

Maßnahmen zur Stärkung des Verdauungsfeuers

Die ständige Pflege des Verdauungsfeuers und die Vermeidung aller Faktoren, die zur Bildung von Ama führen können, ist für die Erhaltung unserer Gesundheit und Lebensfreude äußerst wichtig. So  empfiehlt der Ayurveda die Beachtung bestimmter Essensregeln, die das Agni vor, während und nach der Mahlzeiten stärken. Kalte Getränke z.B., die vor oder während der Mahlzeiten serviert werden, vermindern oder "löschen" sogar die Verdauungskraft. Desweiteren wird  das Agni gestört, wenn:

  • die Nahrung im Verhältnis zur Verdauungskraft zu schwer oder zu üppig ist,
  • zu häufige Mahlzeiten eingenommen werden, 
  • Mahlzeiten ausgelassen oder über längere Zeit gefastet wird,  
  • ungesunde, gefrorene, kalte oder alte Nahrungsmittel verzehrt werden,
  • nicht auf starke Genußmittel (Kaffee,Tee, Alkoholika) verzichtet werden kann,
  • am Abend die Hauptmahlzeit oder eiweißreiche Kost serviert wird,
  • beim Essen gelesen, ferngesehen oder gestritten wird,
  • Gefühle unterdrückt und nicht "verdaut" werden
  • und einer der Konstitution abträgliche Ernährungs- und Lebensweise gefröhnt wird.

Das Essen zwischen den Mahlzeiten (Kaffee, Kuchen, Snacks etc.) - eine weit verbreitete Gewohnheit - unterbricht den Verdauungsprozeß und läßt unverdaute Nahrung als Ama zurück. Gleichzeitig wird verhindert, daß sich ein richtiges Hungergefühl einstellt. Dieses signalisiert nach Auffassung des Ayurveda erst, daß die vorhergehende Mahlzeit vollständig verdaut und das Agni bereits wieder stark genug ist, erneut Verdauungsarbeit zu leisten. Das Essen zwischen den Hauptmahlzeiten ist eine Hauptursache für das Entstehen von Ama.  

Generell sollten bei einer schwachen Verdauungskraft die folgenden Nahrungsmittel reduziert oder vermieden werden:

  • Rohkost, Obst, Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Eier, Brot, Süßspeisen
  • Gebratenes, Frittiertes, Fettes, rohe Getreidemüsli

Die folgenden Nahrungsmittel eignen sich zur Stärkung des Verdauungsfeuers:

  • gut gewürztes und gegartes Gemüse mit scharfem Geschmack: Lauch, Rettich, Zwiebeln etc.
  • Kresse- und Sprossensalate, saure und salzige Lebensmittel in geringen Mengen
  • weißer Reis oder Basmati-Reis, Gemüse und Getreidesuppen
  • generell Nahrungsmittel, die einen scharfen, sauren oder auch bitteren Geschmack haben

Ayurvedisches Fasten mit leichten Reisgerichten und Gemüse
Photo by Pille-Riin Priske on Unsplash
 

Ayurveda und Fasten

Im Ayurveda wird das Total-Fasten nicht empfohlen, da es Vata im Körper vermehrt. So wird eher zu einem Teilfasten geraten, abhängig vom Konstitutionstyp und vom Krankheitsbild. Beim Voll- oder Wasserfasten ruht das Verdauungsfeuer, wodurch es geschwächt werden kann. Wird das Fasten dann gebrochen, ist das Agni zu schwach, um die Nahrung zu verdauen. Das ist der Grund, warum viele Menschen nach einer reinen Fasten- oder Mayr-Kur oft schnell wieder an Gewicht zunehmen. Ein gutes Beispiel liefert uns dafür ein bekannter Politiker, der jährlich in der Osterzeit bis zu 13 Kilogramm abmayrt, gegen Pfingsten jedoch schon wieder 16 kg zugenommen hat. Das liegt nicht am Pfälzer Saumagen, sondern an der durch den Kurverlauf verminderten Verdauungskraft.
Ayurvedisches Fasten zielt demgegenüber auf die Wiederherstellung einer starken Verdauungskraft bei gleichzeitiger Verminderung von Ama. Ein solches Teilfasten, das aus einem geringen und bekömmlichen Nahrungsangebot besteht, das zugleich viele "brennbare" Eigenschaften enthält, entfacht das Verdauungsfeuer und verbrennt Schlacken und Toxine.

Ayurvedisches Reinigen und Entschlacken (1-2 Wochen)

Vor dem Frühstück:

  • Entleerung von Darm und Blase, Reinigung der Zunge mittels Zungenschaber oder Löffel
  • Trinken von einem Glas warmem Wasser mit ca. einem Teelöffel frischen Zitronensaft, 1-2 Teelöffel gutem Honig, einer Prise schwarzem Pfeffer und einer Prise getrocknetem Ingwer. Die Mischung sollte so sein, daß das Getränk gut schmeckt.

Frühstück
Das Frühstück kann entweder ganz ausfallen oder aus ganz leichten Nahrungsmitteln bestehen.

  • Tee (Süßholz, Pfeferminze, Löwenzahn, Wermut, Ingwer),
  • Traubensaft (ungekühlt)
  • Gemüse oder Reisschleimsuppe

Mittagessen
Das Mittagessen sollte die Hauptmahlzeit sein und aus leichten und warmen Zutaten bestehen:

  • Gemüse- oder Getreidesuppe, Reis, Gemüse

Abendessen
Dies kann entweder ganz ausfallen oder aus einem warmen und leichten Gericht bestehen, das möglichst nicht nach 18 Uhr eingenommen werden sollte.

  • Getreide-, Reis- oder Gemüsesuppen, gedünstetes Gemüse mit Reis 

Die Speisen können mit den folgenden Agni stärkenden Gewürzen geschmacklich bereichert werden:
Ingwer, schwarzer Pfeffer, Cayenne, Muskat, Oregano, Thymian, Rosmarin, Meerrettich, Kardamom, Zimt, Senf, Knoblauch, Basilikum, Eukalyptus.

"Ayurveda-Champagner"

Hinter diesem wohlklingenden Namen verbirgt sich eine so einfache wie wirkungsvolle Rezeptur, nämlich ca. 20-30 minütig abgekochtes reines Wasser (Leitungs- oder Mineralwasser). Köcheln Sie am Morgen zwei Liter Wasser für die angegebene Zeit, halten Sie das Wasser in einer Thermoskanne warm und trinken Sie es schluckweise möglichst heiß über den ganzen Tag verteilt. Durch das Köcheln verbessert sich der Geschmack des Wassers, durch Zugabe von z.B. Ingwer oder Zitronensaft läßt er sich variieren.
Die alten weisen Männer Indiens hatten bereits gesehen, daß sich durch das Köcheln die Molekularstruktur des Wassers verändert. Es wird durch diesen Vorgang "leichter", wird vom Körper schneller absorbiert, dringt tiefer in das Gewebe ein und bewirkt eine schonende, aber intensive Ausleitung und Ausschwemmung von Giftstoffen. Das regelmäßige Trinken des "Ayurveda-Champagners" entfaltet zahlreiche Heilwirkungen auf den Organismus. Es empfiehlt sich daher, diese einfache und bekömmliche Maßnahme über die zeitlich begrenzte Reinigungstherapie hinaus in den Alltag zu integrieren.

Heisses Wasser mit Ingwer und Zitrone reinigt und stärkt von Innen
Photo by Dominik Martin on Unsplash

Ghee und Ingwer

Zwei herausragende Mittel zur Reinigung und Stärkung von Körper, Geist und Gemüt und zur Harmonisierung der Doshas, nämlich Ghee und Ingwer, sollen hier nicht unerwähnt bleiben. In der ayurvedischen Literatur findet man viele Beispiele über ihre Anwendungsmöglichkeiten und Heilwirkungen. Ein Eßlöffel voll Ghee (geklärte Butter) den Mahlzeiten beigemischt, verbessert den Geschmack und unterstützt die Verdauung. Die anregende Kraft des Ingwers stimuliert die Verdauungsorgane und sorgt für eine rasche Ausscheidung von Schlacken und Giftstoffen. Ingwer fördert die Zirkulation des Blutes und anderer Körperflüssigkeiten, löst Verspannungen und Verkrampfungen, weitet die Adern und entlastet das Herz. Ingwerpulver wirkt vorwiegend innerlich und leistet einen guten Dienst bei der Entgiftung des Körpers, frischer Ingwer wirkt eher auf die Körperoberfläche ein.

Alles in der Natur unterliegt einem Rhythmus von Werden und Gehen, so besteht ein enger Zusammenhang zwischen den kosmischen Rhythmen und den Biorhythmen des Menschen. Diese Kräfte lassen sich zur Optimierung einer Reinigungs- und Entschlackungsphase ausnutzen.
So empfiehlt der Ayurveda ein siebentägiges Teilfasten beim Wechsel zweier Jahreszeiten im März und im September, am besten um die Tag- und Nachtgleiche. Das Fasten an Vollmond, Neumond oder beim abnehmenden Mond hat eine besonders gute Wirkung.
Eine andere sehr wirksame Möglichkeit besteht darin, in jeder Woche an einem bestimmten Tag sein Verdauungssystem wie oben beschrieben zu entlasten und zu reinigen. Der Ayurveda empfiehlt den Tag, an dem man geboren wurde, bzw. für Frauen den Freitag, weil an diesem Tag die weibliche Energie besonders stark ist. Jedes regelmäßiges Tun stärkt unsere Einbettung in den Makrokosmos und nutzt diese Energie. Die zeitliche und inhaltliche Wiederholung eines Reinigungsrituals vermehrt entschieden seine Wirksamkeit.

Abführen und Einläufe

Diese beiden Reinigungsmaßnahmen unterstützen den Körper bei seiner Reinigung. Der Einlauf vermindert Vata im Dickdarm, das Abführen wirkt der Vermehrung von Pitta im Dünndarm entgegen. Das Abführen, z.B. mit Rhizinusöl empfielt sich am Anfang der Reinigungstherapie.
Einem Einlauf ohne Fett (z.B. mit warmem Salzwasser) am Ende der Entschlackungskur sollte ein Einlauf mit Fett folgen. Die Autorin Vinod Verma empfiehlt in ihrem Buch über Ayurveda (Barth-Verlag) das folgende Rezept: "Nehmen Sie 160ml Milch und fügen Sie zu gleichen Teilen Honig, Öl und Ghee hinzu, so daß die Gesamtmenge 240ml beträgt."


Ayurvedische Massagen mit hochwertigen pflanzlichen Ölen
Photo by Alan Caishan on Unsplash
 

Panchakarma: Das Herz der ayurvedischen Therapie

Die tiefgreifendste und wirksamste Methode zur körperlichen und seelisch-geistigen Entschlackung und Wiederherstellung des dynamischen Gleichgewichts ist die sogenannte Panchakarma-Therapie. "Pancha" bedeutet "fünf" und "Karma" bedeutet "Tätigkeiten" oder "Vorgänge", durch die Toxine und Schlacken in unserem Körper gelöst und über unsere natürlichen Ausscheidungsorgane ausgeschieden werden.
In der Vorkur wird durch Ölanwendungen, Dampfbäder, spezielle ayurvedische Medikamente, Diät und andere Maßnahmen das "Ama" aus den Geweben gelöst und zurück an seine Hauptlokalisation geführt. Von dort aus wird es durch die "Fünf Karmas" (je nach Diagnose: Erbrechen, Abführen Einlauf, Reiningung der Stirn-und Nasennebenhöhlen, Blutreinigung) ausgeleitet.
"Der Körper der meisten unserer Patienten aus dem Westen", versicherte mir ein "westerfahrener" ayurvedischer Arzt, "ist so rein wie die Elbe bei Hamburg".
Die alten Schriften des Ayurveda empfehlen eine zweimalige Panchakarma-Kur im Jahr zur Erlangung eines "glücklichen und gesunden, langen Lebens". Sie dient sowohl der Vorbeugung von Krankheiten im Sinne einer aktiven Gesundheitserhaltung als auch der Heilung spezieller Krankheitsbilder, als auch chronischer Krankheiten. Die Reinigung findet gleichzeitig auf der psychischen Ebene statt und gibt somit Raum für ein positiveres Lebensgefühl. Von den außerordentlich erstaunlichen Wirkungen der Panchakarma-Therapie konnte ich mich bei zahlreichen Besuchen in ayurvedischen Krankenhäusern in Sri Lanka und Indien überzeugen.


Vorstellung des Autors:
Norbert W. Fischer, Heilpraktiker, ist seit Jahren in Indien und Sri Lanka unterwegs auf den Spuren des Ayurveda. In den südöstlichen Bergen von Sri Lanka leitet er seit 1992 das Ayurveda-Kurzentrum die „Greystones-Villa“. In den deutschsprachigen Ländern hält er Vorträge und Seminare über den Ayurveda.

 

Anschrift:

Nandhi Ayurvedic Therapies GmbH
Norbert W. Fischer
Christophstr. 5
70178  Stuttgart
Tel.:   0711 - 2348144
Fax.:  0711 - 2348145
www.greystones-villa.de
info@greystones-villa.de

 

Titelbild: Photo by Min Ling on Unsplash

 

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