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Alexander Pollozek. HP - Ayurveda-Zentrum Triguna

31.07.2006 |

 


1. Wie würden Sie die Abgrenzung von medizinischem Ayurveda zu Wellness definieren?

MEDICAL WELLNESS
Dieser Begriff ist nicht von mir geprägt worden. Ich fülle ihn lediglich mit Zeitgeist.
Der Wellness-Boom ist noch längst nicht zu Ende. Die Menschen jedoch sind anspruchsvoller geworden. Laut Insider-Prognosen wird  sich in den nächsten 3 Jahren die Spreu vom Weizen trennen. Etikettenschwindler werden gerade im Ayurveda-Bereich künftig leer ausgehen, da die Ausbildungsstandards immer anspruchsvoller werden. Und so gilt auch in Bezug auf die Auswahl des Therapeuten:
‚Der Bessere ist des Guten Feind’.
Soft Wellness reißt heute keinen mehr wirklich vom Hocker.
Beinahe jedes Hotel besitzt einen swimming-pool und eine Sauna, welche einfach in ‚Wellness-Bereich’ umgetauft werden.  Nach ein paar Seminar-Wochenenden war man bisher schon zertifizierter Wellness-Trainer oder Ayurveda-Therapeut. In unserer zeitkranken Zeit reicht es nicht mehr aus, einen stinkenden Algenschlick oder ein Duftöl auf die strapazierte Haut geklatscht zu bekommen. Wer wartet heute noch gerne im von Regenbogenlicht durchfluteten Blubberbad  auf das Abschaltsignal?
Wie schnell ist die Wirkung solcher Wellness-Wochenenden im Alltag verpufft!
Aber der Wohlfühlmarkt treibt noch buntere Blüten: Sie können heute in  Großstädten – ähnlich wie in Spielhöllen – eine Wellness-Coocooning_Suite für 250 € die Stunde mit einem Fuhrpark an Relaxgeräten mieten. –
Ich sage nur: Themaverfehlung.  Warum ?
Menschen sind soziale Wesen. Die perfekte, an natürlichen Bedürfnissen orientierte Gesundheits-Dienstleistung wird immer gefragt sein. Und diese darf auch Geld kosten.
Viele Menschen sind auf der Suche nach individuellen, Maß geschneiderten, ganzheitlichen Konzepten.  Ayurveda & TCM sind da mittendrin. Das Bindeglied zwischen Wellness und rationaler Ayurveda-Medizin ist: MEDICAL WELLNESS
Dieser Begriff ist nicht von mir geprägt worden. Man muss ihn mit Zeitgeist füllen.
Und da wären wir beim Thema:
Stellen Sie sich vor, Sie sind jung oder etwas älter, selbständig, erfolgreich – Punkt. Kleiner Schönheitsfehler: Sie leiden an einer chronischen Krankheit, z.B. Migräne, Bluthochdruck, Übergewicht, Heuschnupfen oder Rheuma. Doch Sie gehen nicht zum Arzt.
Was mag der Grund dafür sein?
Man lebt auch mit dieser Malaise so recht und schlecht. Die Zeit, um sie auszukurieren, ist Ihnen zu schade. Ein Krankenhaus- oder Klinikaufenthalt kommt schon gar nicht in Frage. Das vom Arzt verschriebene Cortison, Antibiotikum oder der Beta-Blocker helfen nicht wirklich. Eine Alternative könnte lauten:  medizinisch betreute Ayurveda-Kur  im anspruchsvollen Hotelambiente eines Kur- und Erholungsortes.

2. Wie sehen Sie die Rolle des Ayurveda-Arztes und Heilpraktikers gegenüber dem Patienten? Welches Selbstverständnis zeichnet den Arzt oder HP aus
-         aus Sicht des Ayurveda
-         aus eigener Sicht


Ganz klassisch. Schon der Klassiker Vagbhata beschreibt die 4 Säulen der Therapie sehr genau und messerscharf nach ethischen und philosophischen Gesichtspunkten:

1) Der Arzt
• Effizienz, Leistungsfähigkeit, Tüchtigkeit
• Erlernen der Wissenschaft in all ihren Bedeutungen
• Praktische Erfahrung in der Therapie
• Reinheit in Körper-Rede-Geist

2) Die Therapie
• Gute Eignung für vielfältige Präparationen
• Gute Qualitäten in Geschmack und sonstigen Eigenschaften
• Echtheit, Fehlerlosigkeit
• Eignung gemäß verschiedenen Zuständen der Tridosha, bei
verschiedenen Erkrankungen und verschiedenen Menschen

3) Die Schwester/Pfleger/Therapeuten
• Zum Patienten treu und liebevoll
• Reinheit in Körper-Rede-Geist
• Intelligenz und Effizienz, Leistungsfähigkeit

4) Der Patient
• Wohlhabend, den Anweisungen des Arztes folgend
• Gutes Erinnerungsvermögen
• Ausdrucksfähigkeit
• Starker Wille, um den therapeutischen Belastungen Stand zu halten

(gem. Vagbhata  AHS, Sutra 1, 27-29)


Diese Voraussetzungen für das Zustandekommen eines tieferen Heilungsprozesses sind auch heute noch absolut gültig.
Ich persönlich möchte beim Arzt und Heilpraktiker allerdings noch 2 wesentliche Voraussetzungen hinzufügen:
1) Der Ayurveda-Fachmann muss unbedingt Lebens- und Leidenserfahrung mitbringen. Einfühlungsvermögen, Empathie ist nur dann in einem Menschen vorhanden, wenn er persönlich Krisen im Leben gemeistert hat und daran gewachsen ist.
2) Nur derjenige Ayurveda-Spezialist wird bei seinen Patienten dauerhaften Erfolg haben, wenn er an sich selbst begonnen hat, zu ‚arbeiten’. Das heißt, wenn er die Schattenseiten seiner Persönlichkeit beleuchtet – seine Ängste, seine Zwanghaftigkeit, seine mentalen Selbstentwertungsprogramme, seine negativen Konditionierungen. Diese Aufarbeitung geht nur durch einen langjährigen Prozess der Gruppenerfahrung, der Meditation, der spirituellen Selbstfindung.
Diese letzt genannte Voraussetzung fehlt im Übrigen auch so manchem indischen Ayurvedaarzt. Ich bemängle hier auch generell die fehlende professionelle, psychologische Betreuung der Kurgäste beim inneren Reinigungsprozess. Viele Ärzte und Therapeuten konzentrieren sich zu sehr auf den rein mechanisch durchgeführten, körperlichen Entgiftungsprozess. Kommt dann endlich der ‚seelische Müll ‚ an die Oberfläche, stehen viele hilflos oder schlichtweg ungläubig da – der Patient fühlt sich im Regen stehen gelassen.

3. Welche Rolle spielt Ayurveda im westlichen Gesundheitssystem heute und zukünftig? Welche Risiken und Chancen gibt es? Gibt es Unterstützung oder Hindernisse, sich als Mediziner oder HP mit Ayurveda auseinander zu setzen?

Eine eminent wichtige. TCM brauchte über 50 Jahre, um in unserer Medizin-Landschaft Fuß zu fassen. Ayurveda hat nicht die Hälfte der Zeit gebraucht.
Die Tibetische Medizin hat Europa in wenigen Jahren erobert gehabt.
Dr. Vasant Lad, mein wichtigster Lehrer und mein größtes Vorbild, plädierte immer für eine sinnvolle Synthese zwischen Schulmedizin und Ayurveda. Wenn jede Disziplin ihre eigenen Schwächen zugibt und ihre Stärken in die Waagschale wirft, so entstehen nur positive Synergie-Effekte – gerade auch im Hinblick auf eine künftige Kostendämpfung in der Medizinversorgung.

Die Risiken der Etablierung von Ayurveda im Westen sehe ich nur im Hinblick auf eine Verwässerung durch unqulifizierte, mangelhaft ausgebildete Etikettenschwindler, die mit der Marke ‚Ayurveda’ das schnelle Geld machen wollen. Deshalb plädiere ich für die umgehende Einführung von Ausbildungs- und Therapiestandards. Mein demnächst erscheinendes Therapie-Handbuch ist aus diesen Erwägungen heraus entstanden. Wir brauchen eine tragfähige Diskussionsgrundlage – eine vereinheitlichte Nomenklatur. In Europa praktizierende Ayurveda-Fachleute arbeiten ansonsten im luftleeren Raum. Jeder kocht sein Süppchen, jeder hütet seine kleinen Berufsgeheimnisse und die Patienten sind ratlos, verunsichert und zurecht skeptisch. In diesem Vakuum entstehen Mutmaßungen, Verleumdungen und Vorurteile, die dem Ansehen von Ayurveda schaden.
Eine Rheuma-Patientin, die sich in unserem Kurhotel 3 Wochen aufhielt, wurde von einem Hotelgast folgendes allen Ernstes gefragt: ‚Mussten Sie Ihre Religion wechseln, um sich im Ayurvedazentrum behandeln zu lassen?’
Genau solche Vorurteile müssen künftig unterbunden werden durch eine fundierte Ausbildung und durch einheitliche Therapiestandards.

4. Gibt es Krankheitsbilder, die prädestiniert sind für die Behandlung durch Ayurveda und welche?

Besonders effizient kann man ayurvedisch folgende Krankheiten behandeln:
1) Chronisch, degenerative Gelenkserkrankungen wie Rheuma, Arthritis, Arthrose, Gicht
2) Allergien: Heuschnupfen, Schwermetall- und Nahrungsmittelallergien
3) Chronische Hauterkrankungen: Vitiligo, Psoriasis, Urtikaria, Neurodermitis
4) Psycho-somatische Erkrankungen: Essstörungen, Übergewicht, Depression, Burn-out-Syndrom, Migräne, Schlafstörungen u.v.m.
5) Schmerzsyndrome: Tennisarm, Ischias, Bandscheibenvorfall, Arthralgie
6) Ferner: Asthma, Diabetes mellitus, chron. Gastritis, Bluthochdruck

5. Haben Sie Kenntnisse über Forschungsprojekte zu Ayurveda? Wenn ja, welche?

Leider nein. Das hängt aber mit unserer Gesundheitspolitik zusammen. Mit Komplementärmedizin kann man nicht so viel Geld verdienen. Deshalb werden Forschungsgelder nur in die Pharmakonzerne und die Apparatemedizin gesteckt. Diese Tatsache wiederum hat mit unserem mechanistischen Weltbild zu tun, welches von Descartes im 17. Jahrhundert geprägt wurde. So lange es im Westen keinen Paradigmenwechsel gibt, wird eine ganzheitliche Medizin wie Ayurveda bestenfalls von ihrem rationalen Therapieanstz her akzeptiert sein. Der Rest ist augenzwinkernde Exotik. Insofern hat Ayurveda nur bei uns Platz, weil eine Konsumnachfrage da ist. Erst, wenn der Nachweis erbracht ist, dass wir damit enorme Therapiekosten und postoperative Folgekosten einsparen können, werden auch Forschungsgelder fließen. Stellt sich also wieder die Frage nach dem Huhn und dem Ei.

6. Welche Möglichkeiten sehen Sie, sich weiterzubilden?

Innerhalb meines HP-Berufsverbands vor allem und teilweise bei Dr. Lad persönlich.

7. Reichen aus Ihrer Sicht die Diagnosemöglichkeiten des Ayurveda aus? Oder sollten Ihrer Ansicht nach weitere naturheilkundliche und/oder schulmedizinische Diagnosemethoden hinzugezogen werden?

Sinnvoll ist bei einem komplexen Krankheitsgeschehen immer die schulmedizinische Labordiagnostik mit einzubeziehen.
Was die ayurvedische Diagnostik selbst anbelangt, so habe ich mehr als 10 Jahre gebraucht, um mich mehr und mehr auf die Pulsdiagnostik in Verbindung mit Zungendiagnostik, die Eigenwahrnehmung und das anamnestische Gespräch verlassen zu können. Mit einiger Praxis ist dies völlig ausreichend.
Es ist auch mein Anliegen, diese Parameter ab Herbst diesen Jahres in unserem neu gegründeten TRIGUNA-Institut interessierten Therapeuten in Trainingseinheiten näherzubringen.

8. Gibt es noch Aspekte, die Ihnen speziell wichtig sind?

Am Herzen gelegen ist mir noch, dass möglichst viele Ayurveda-Spezialisten Zugang finden zu meinem bald erscheinenden Therapiehandbuch. Es werden dort in Form eines Repetitoriums 100 gängige, westliche Krankheitsbilder behandelt. Von der Krankheitsentstehung über Symptome bis hin zu standardisierten Therapievorschlägen kann man eine Fülle von Anregungen bekommen. Ein Auszug aus dem Vorwort:
„Die Einführung von Therapiekonzepten verfolgt mehrere Ziele:
1) Die Verifizierbarkeit von Therapieerfolgen durch die Vorgabe von Therapiestandards für die Ayurveda-Medizin und die kritische, medizinische Fachwelt
2) Die Abgrenzung der Ayurveda-Medizin gegenüber Wellness- & Modetrends, Sekten, Esoterik, Mystik & Magie. Nur so findet diese traditionelle Erfahrungsmedizin Anerkennung und Eingang in die etablierte Medizin-Landschaft
3) Die Offenlegung von detaillierten, nachprüfbaren Therapieansätzen soll der Geheimniskrämerei vieler Ayurveda-Fachleute, auch in Indien, endlich ein Ende bereiten
4) Die Methodik der zu berücksichtigenden Faktoren für einen differenzierten und individuell angepassten Umgang mit dem Patienten
5) Die Vorgabe von Therapiemodulen für die Ausbildung und Prüfung von Ayurveda-Studenten als faktische Grundlage für die Praxis
Ich wünsche dem Leser und der ayurvedischen Fachwelt im Westen, dass sie sich künftig mindestens an diesen Standards messen lassen muss und dass der aufgeklärte Patient dies auch nachhaltig einfordert.“

Kontakt:
Ayurvedazentrum Triguna
Alexander Pollozek. HP
07632- 82 30 90

info@ayurvedazentrum.de
www.ayurvedazentrum.de
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