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Ayurvedisch kochen mit Gewürzen - Ein Fest für die Sinne

Ayurvedisch kochen mit Gewürzen - Ein Fest für die Sinne

01.11.2021 | von Kerstin Rosenberg - „Kleine Mengen von Gewürzen können die Wirkung der Nahrung verändern“. Dieser Leitsatz der ayurvedischen Diätetik prägt die gesamte Ayurveda-Küche. Denn in der ayurvedischen Kochkunst ist weniger oft mehr: Nicht die Menge an Gewürzen ist für die Gesundheit entscheidend, sondern die Auswahl und Mischung der edlen Samen, Rinden, Wurzeln und Blüten, die für den Genuss und die Heilkraft der Nahrung verantwortlich sind. Und es ist auch die Vielfalt der Gewürze, die die ayurvedische Küche mit Duft und Geschmack bereichert. Sie werden als Herz und Kopf der individuellen Ernährungslehre bezeichnet, da sie zum einen Wohlgeschmack und Bekömmlichkeit von Speisen verbessern und zum anderen eine therapeutische Wirkung erzielen können: die Balance der individuellen Konstitution wird harmonisiert und darüber das positive Befinden gesteigert.

Titelbild: Bildquelle:  © Stocksy United / Marta Mauri

 

Genuss und Heilkraft durch Gewürze 

Kochen ist im Ayurveda ist eine sinnliche Tätigkeit, die ihre wohltuende Wirkung auf Körper, Geist und Seele entfaltet. Der kunstvolle Einsatz von Gewürzen verleiht den Speisen Farbe, Aroma und Struktur: gelber Safran-Reis flirtet mit dem von Kreuzkümmel und Zimtstange durchdrungenen Linsen-Dal an aromatischen Rüben mit Ingwer und Nelke. Grüner Blattspinat, scharf gewürzt mit Chili und Zitrone, rundet das kulinarische Erlebnis ab. Dabei vereinen sich alle Farben und Geschmäcker zu einer harmonischen Symphonie, die alle Sinne erfreut und das Essen zum Hochgenuss werden lässt.  

Dass die in den Rezepten verwendeten Gewürze nicht nur den Gourmet erfreuen, sondern auch das Verdauungs- und Immunsystem unterstützen können, ist die Besonderheit in der Ayurveda-Küche. Der Koch wird zum Alchemisten der Lebenskraft. Safran verleiht Reis eine energetisierende Kraft und der Kreuzkümmel macht die Hülsenfrüchte leichter verdaulich. Rüben mit Ingwer wirken stoffwechselanregend und Spinat mit Zitrone werden die Blutbildung fördernde Eigenschaften nachgesagt. Das zeigt, wie tiefgreifend im Ayurveda Kochen und Heilen verbunden sind.

 

Der Gewürzsud – die Seele des Essens 

Wer schon einmal auf ayurvedische Weise mit Gewürzen gekocht hat, weiß: Es geht ganz einfach! Die Seele des Essens ist der Gewürzsud. Er wird immer nach dem gleichen Prinzip in drei Schritten zubereitet, unabhängig davon, ob daraus ein Gemüsecurry, ein Chutney oder eine Linsensuppe gekocht soll: 

  • Zuerst werden die ganzen Gewürze – wie Cumin-, Senf- oder Koriandersamen – leicht angemörsert und in erhitztem Ghee oder Öl kurz angeröstet, aber verbrennen dürfen sie nicht. 
  •  Dann werden die frischen Gewürze wie fein gehackte Zwiebeln, Ingwer, Chili oder Knoblauch hinzugefügt und man lässt den entstehenden Sud anbräunen.
  • Jetzt werden die gemahlenen Gewürze oder Gewürzmischungen untergerührt. 

Alle weiteren Zutaten des Rezepts – egal ob Gemüse, Reis, Linsen oder Fleisch – werden im Gewürzsud kurz angeschmort, je nach Bedarf mit etwas Flüssigkeit angereichert und weich gegart. Am Ende wird nochmals mit Salz, frischen Kräutern und frisch gemahlenen Gewürzen abgeschmeckt. Speziell Kardamom- und Muskatpulver sowie frisches Koriandergrün sollten niemals mitgekocht werden, sondern immer nur am Ende an die Speisen gegeben werden.

 

Bildquelle:  © Stocksy United / Kirsty Begg

Gekonnt typgerecht würzen 

Mit der Auswahl der Gewürze entscheidet der Koch über die Wirkung und den Geschmack des Menüs. So ist es in der ayurvedischen Küche nicht unüblich, dass zu Beginn ein einfacher Sud mit den allgemein verträglichen Gewürzen Ingwer, Cumin und Kurkuma hergestellt und erst am Ende mit individuell passenden Gewürzen das Gericht typgerecht verfeinert wird. Dabei gilt:  

  • Zum Vata-Ausgleich darf es immer etwas mehr Salz und Kreuz- oder Königskümmel (Ajwain) sein. 

  • Pitta wird durch Kurkuma, Koriander und grüne Kräuter ausgeglichen. 

  • Kapha braucht belebende Schärfe und sollte mit Pfeffer, Chili, Hing und frischem Ingwer nachwürzen.  

Laut Ayurveda sollte ein Menü grundsätzlich immer alle sechs Geschmacksrichtungen enthalten. Das sind süß, sauer, salzig, scharf, bitter und herb, zu denen es entsprechende Gewürze gibt. Doch je nach Dosha-Typ sollten manche Geschmäcker nur in minimaler Dosis und andere geschmacksdominanter verwendet werden. Gewürze können dabei als Verstärker oder Besänftiger eingesetzt werden: Bei der Zubereitung einer Tomatensoße kann die saure und Pitta erhöhende Qualität durch das Beifügen von Kurkuma, etwas gemahlenen Koriandersamen und frisches Basilikum ausgeglichen werden. Wer allerdings die Tomate in ihrer sauren, stoffwechselanregenden und Vata ausgleichenden Qualität fördern will, der würzt sie mit Tamarinde, Ingwer, einem Hauch Chili und Zitronengras.  

 

In der richtigen Reihenfolge würzen und das Verdauungsfeuer stärken 

Das Wissen um die Wirkung der Gewürze auf die verschiedenen Verdauungsfunktionen ist ein wichtiger Aspekt für die ayurvedische Rezept-Komposition. Denn vier von den sechs Geschmäckern wirken anregend auf den Stoffwechsel: sauer, salzig, scharf und bitter. Süße und herbe Speisen und Gewürze hingegen reduzieren das Verdauungsfeuer.  

Starten wir unser Menü also mit sauren und scharf gewürzten Speisen. Eine Suppe mit Chili und Zitrone regt den Appetit und das Verdauungsfeuer an. Wer hingegen zu starken Appetit verspürt und eher weniger Essen möchte, der sollte mit etwas Süßem beginnen, das süß und herb abgeschmeckt wurde, wie zum Bespiel ein kleines Kichererbsenkonfekt (Laddu) mit Safran, schwarzem Kardamom und Nelke. Um Müdigkeit und Schweregefühl nach dem Essen zu meiden, sind bittere Geschmacksnuancen wichtig. Traditionell isst man im Ayurveda den Blattsalat mit frischen Kräutern am Schluss der Mahlzeit. Aber auch etwas dunkle Bitterschokolade oder ein schwarzer Kaffee, gewürzt mit etwas grünem Kardamom und Muskatnuss erfüllen diesen Zweck. 

 

Salz zur Geschmacksverstärkung 

Salz wird in der Ayurveda-Küche zur Entfachung des Verdauungsfeuers und zur Geschmacksverstärkung eingesetzt. Es hat eine erhitzende, aufbrechende Qualität und hilft, schwer verdauliche Speisen, wie Hülsenfrüchte, tierische Eiweiße oder Rohkost, besser zu verstoffwechseln. Wichtig bei der Verwendung ist allerdings auch hier der Zeitpunkt: Salz sollte man Hülsenfrüchten erst am Ende des Kochvorgangs zufügen, da sie sonst hart bleiben. Fisch, Fleisch und Ofengemüse hingegen sollten gleich zu Beginn gesalzen werden. Grundsätzlich empfiehlt Ayurveda nur die Verwendung von Steinsalz, da es für alle Dosha-Typen besser verträglich ist als Meersalz.

 

 

Erhitzend oder kühlend? 

Steigt man etwas tiefer in die Materie ein, findet man heraus, dass neben dem Geschmack (Rasa) auch die Potenz (Virya) eine große Bedeutung hat, wenn es um die therapeutische Qualität und Wirkung von Gewürzen geht. Die Potenz eines Gewürzes mit einer Wirkung auf unser Verdauungsfeuer Agni ist entweder erhitzend oder kühlend. Erhitzende Substanzen aktivieren die Verdauungskraft, setzen Energie frei und wirken katabolisch auf den Gewebestoffwechsel. Kühlende Substanzen hingegen speichern Energie, wirken anabolisch, beruhigend und stärkend. Schwarzer Pfeffer, Chili, Asafoetida oder Ingwer sind wichtige Gewürze mit erhitzender Wirkung. Gewürze mit kühlender Qualität sind eher selten. Sie wirken Pitta ausgleichend, reduzieren eine zu schnelle Verbrennung und damit einhergehende Auszehrung. Zu den typischen Gewürzen mit kühlenden Qualitäten zählen Kardamom, Koriander und Vanille. 

 

Gewürze, die in keiner Ayurveda-Küche fehlen sollten 

Die ayurvedische Küche ist reich an einer großen Gewürzvielfalt. Doch bereits eine Grundausstattung von fünf bis sechs Gewürzen ist vollkommen ausreichend, um alle geschmacklichen und diätetischen Belange abdecken zu können.  Ingwer, Cumin, Kurkuma, Koriander, Kardamom und schwarzer Pfeffer sollten immer vorhanden sein und sind eine gute Basis für die Reise in die Welt des ayurvedischen Kochens. Hat man sich mit diesen Gewürzen vertraut gemacht, kann man sein Repertoire erweitern und Schritt für Schritt neue geschmackliche Nuancen und Wirkungen entdecken und mit diesen kreativ experimentieren. 

Entdecken Sie die Kraft der ayurvedischen Gewürze und viel Freude beim Ausprobieren!

 

Kerstin Rosenberg ist eine international bekannte Ayurveda-Spezialistin, Dozentin und Autorin. Seit mehr als 20 Jahren bildet sie Ayurveda-Ernährungsberater, Gesundheitscoaches und psychologische Ayurveda- Therapeuten in Deuttschland, Österreich und der Schweiz aus. Gemeinsam mit ihrem Mann leitet sie die renommierte Europäische Akademie für Ayurveda mit angeschlossenem Kur- und Kompetenzzentrum in Birstein, Hessen.

www.ayurveda-akademie.org, www.rosenberg-ayurveda.de

 

Der Artikel ist erschienen im Ayurveda Journal Nummer 67:

Hier können Sie diese Ausgabe bestellen:

https://shop.ayurveda-journal.de/ayurveda-journal-heft-67-die-panchakarma-kur-neustart-fuer-koerper-und-geist.html


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