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Die sieben Gewebe (Dhatu)

02.02.2003 | von Subhash RanadeDie Gewebe (Dhatu)..(sind).. die Bestandteile, die nicht vom Körper ausgeschieden werden (das reproduktive Gewebe ausgenommen) und die immer in einem abgegrenzten Bereich bleiben. Diese Begrenzungen sind die Haut von außen und die Auskleidungen des Körperinneren (z.B. von Magen-Darm-Trakt, Blase, Gelenken, Gehirn usw.). Mit der Zunahme der Körperkräfte entwickeln sich diese Gewebe immer mehr.


Die sieben Gewebe, ihre Eigenschaften und Funktionen sind im Folgenden dargestellt:

Das Plasma (Rasa) besteht hauptsächlich aus Wasser und ist die wichtigste Lösung, in der alle anderen Körpergewebe suspendiert sind. Es enthält auch die Nährstoffe für alle fünf Elemente im Körper. Blut ist aus Feuer und Wasser zusammengesetzt, denn es ist eine Flüssigkeit, die Hitze überträgt (heute würde man sagen: Es stellt den Sauerstoff für die Zellatmung zur Verfügung). Das Muskelgewebe enthält hauptsächlich Erde, daneben auch Wasser und Feuer. Es ist schwer und macht einen großen Teil der Körpermasse aus. Auch das Fett setzt sich hauptsächlich aus Wasser zusammen, das Knochengewebe dagegen (als poröse Struktur) aus Erde und Luft. Das Knochenmark besteht aus einer feinstofflicheren Form des Wassers, die Nervenimpulse zu übertragen vermag - etwas, was die weniger weit entwickelten Formen des Wassers wie das Plasma und das Fett nicht können. Dazu kommt etwas Erde, was sein Gewicht erklärt. Die Reproduktionsflüssigkeit oder der Samen ist die Kernform des Wassers mit der Fähigkeit, neues Leben zu erzeugen - das Konzentrat, das aus allen Geweben hervorgeht.

Die wichtigste Funktion der sieben Gewebe ist es, dem Körper größtmöglichen Halt und Starke zu verleihen. Der Organismus kann es sich daher nicht leisten, sie auszuscheiden wie die Abfallprodukte. Wenn sie die Begrenzungen der Haut oder der inneren Auskleidungen überschreiten, kommt es zu sehr ernsthaften krankhaften Bedingungen, denn es geht lebensnotwendige Substanz verloren.

Die Dosas dagegen entwickeln sich nicht immer weiter wie die Gewebe, werden aber auch nicht aus dem Körper ausgeschieden wie die Abfallprodukte. Vata hat keine physischen Dimensionen. Es ist anhand der verschiedenen Bewegungen zu begreifen, die es verursacht. Pitta und Kapha sind flüssiger Natur, wobei Pitta aus leichteren und Kapha aus schwereren Flüssigkeiten besteht. Kapha (Wasser) als Grundsubstanz des Körpers macht alle Gewebe aus, insbesondere aber fünf Typen, nämlich Plasma, Muskel, Fett, Knochenmark und den Samen.

Zwar sind die Dosas die ursächlichen Faktoren von Krankheiten, doch angesiedelt sind sie in den Geweben. Diese werden daher auch „Dusya" genannt - wörtlich ,was verdorben werden kann". Die Gewebe entstehen aus verdauten Nährstoffen, deren Abfallprodukte in Form von Stuhl und Urin ausgeschieden werden.

Funktionen der Gewebe

Plasma (Rasa):
Die Wirkung des Plasmas besteht darin, Nahrung und Freude zu geben (Prinana). Das Plasma liefert allen Geweben die Nährstoffe; zugleich füllt es sie aber auch an und verschafft uns so eine Empfindung der Fülle des Lebens. Es ist für den Wassergehalt der Gewebe und für das Aufrechterhalten des elektrolytischen Gleichgewichts verantwortlich.

Wenn das Plasma ausreichend vorhanden ist, fühlen wir uns glücklich und zufrieden. Wir haben Saft und Lebenskraft und genießen es, uns zu bewegen und zu handeln. Rasa verschafft Lebensfreude und eine Empfindung von Schönheit und Glückseligkeit. Der Ausdruck „Rasa" selbst bedeutet sowohl ,Essenz" oder „Lebenssaft" als auch „sich herumdrehen" wie in der Freude des Tanzes. Das Plasma durchströmt den gesamten Körper, sitzt aber hauptsächlich im Herzen, den Blutgefäßen, im lymphatischen System, der Haut und in den Schleimhäuten. Plasma und Kapha hängen eng zusammen: das Plasma ist das Behältnis, Kapha der Inhalt.

Blut (Rakta):
Aufgabe des Blutes ist es, zu beleben und so eine Empfindung des Lebens (Jivana) zu schaffen. Auf der körperlichen Ebene ist das seine Fähigkeit, die Zellen mit Sauerstoff zu versorgen, die sonst nicht atmen könnten und zugrunde gehen würden. Viele Krankheiten, wie etwa Krebs, entstehen dann, wenn den Zellen Sauerstoff fehlt.

Wenn unser Blut in ausreichender Menge vorhanden ist, strotzen wir vor Lebensenergie. Wir haben Glauben, Liebe und Begeisterung. „Rakta" bedeutet wörtlich das, was farbig oder rot ist. Das Blut gibt uns Farbe im wörtlichen wie im übertragenen Sinn, und - weil es genau wie das Plasma eine strömende Flüssigkeit ist - auch Leichtigkeit in der Bewegung, die zusätzlich noch eine Stufe leidenschaftlicher ist.
Das Blut ist in seinen Eigenschaften und Funktionen dem Pitta ähnlich: Das Blut ist das Behältnis, Pitta der Inhalt.

Muskeln (Mamsa):
Die Funktion des Muskelgewebes ist es, zu beschichten und zu verbinden (Lepana). Wie eine Gelatineschicht dienen die Muskeln dazu, das Skelett unseres Körpers zu bedecken und ihm Festigkeit zu verleihen. Sie geben uns die Fähigkeit zur Arbeit und Handlung. Wenn unser Muskelgewebe zu wenig ausgebildet ist, fehlt es uns am Zusammenhalt und Zusammenspiel unserer Struktur. Wenn es dagegen ausreichend vorhanden ist, haben wir Mut, Zuversicht und Stärke, sind fähig zur Offenheit, Versöhnlichkeit und fühlen uns glücklich. Der Ausdruck „mamsa" kommt von der Wurzel „mam", die „festhalten" bedeutet.

Fett (Meda):
Die Funktion des Fettgewebes ist die Schmierung (Snehana, was auch „Zuneigung" bedeutet) vor allem der Muskeln und Sehnen, aber auch anderer Gewebe. So schmiert es etwa den Rachen und verhilft so zu einer wohlklingenden Stimme. Das Fett vermittelt uns eine Empfindung von Weichheit, Leichtigkeit und - auf der psychologischen Ebene - des Umsorgtseins. Um dem Gefühl zu begegnen, nicht geliebt zu werden, werden daher viele Menschen dick. „Medas" bedeutet das, was ölig ist.

Knochen (Asthi):
Die Funktion des Knochengewebes ist die Unterstützung (Dharana). Die Knochen dienen dazu, alle unsere Gewebe zu halten und ihnen Festigkeit und ein starkes Fundament zu verleihen. Ausreichend Knochengewebe gibt uns Stabilität, Vertrauen, innere Sicherheit, Überzeugung und ein gutes Stehvermögen. „Asthi" kommt von der Wurzel „stha", stehen oder aushalten.
Die Knochen enthalten Vata oder die biologische Kraft des „Windes" im Körper - sie sind der Behälter und Vata der Inhalt.

Nerven und Knochenmark (Majja):
Die Funktion des Knochenmarks und der Nerven ist das Ausfüllen und die Zufriedenheit (Purana). Dieses Gewebe dient dazu, die Hohlräume des Körpers auszufüllen, zum Beispiel die Nervenkanäle, Knochen und die Schadelhöhle. Es sorgt auch für die Sekretion der Gelenkflüssigkeit und hilft bei der Schmierung der Augen, des Stuhls und der Haut. Zwei Arten lassen sich unterscheiden, zum einen Gehirn und Wirbelsäule (Nervengewebe) und zum anderen das Knochenmark, das auch die roten Blutkörperchen produziert.

Das Knochenmarksgewebe gibt uns eine Empfindung der Fülle und der Genugtuung im Leben. Wenn zuwenig davon vorhanden ist, fühlen wir uns leer und sind ängstlich. Durch seine schmierende Wirkung sorgt es für Zuneigung, Liebe und Leidenschaft. „Majja" kommt von der Wurzel „maj", sinken, denn das Nervengewebe ist tief in den Knochen versunken. Es dient also auch dazu, uns zu verankern.

Reproduktionsflüssigkeit (Sukra):
Die Funktion des reproduktiven Gewebes ist die Fortpflanzung (Garbhotpadana). Es erlaubt uns, ein anderes Leben hervorzubringen und so den großen Strom des menschlichen Lebens weiterzuführen. Dabei steht „Samen" für den Samen des Mannes oder den Eierstock der Frau und allgemein für alle Flüssigkeiten, die mit der Fortpflanzung zusammenhängen. Wenn er nicht ausreichend vorhanden ist, bewirkt das allgemein fehlende Kreativität im Leben und speziell Impotenz und Unfruchtbarkeit.

Dieses Gewebe vermittelt Stärke, Energie und Standfestigkeit für den gesamten Körper und hält die Abwehrfunktion aufrecht. „Sukra" selbst bedeutet „Samen" und „leuchtend" und ist im Sanskrit auch die Bezeichnung für den Planeten Venus. Die reproduktive Flüssigkeit gibt den Augen Licht und der Seele Inspiration.

Ojas:
Häufig wird Ojas als ein achter Gewebefaktor angesehen. Es ist das feinstoffliche Konzentrat des gesamten Kapha oder des Wassers im Körper, der Sekrete lebenswichtiger Organe und speziell die Essenz der reproduktiven Flüssigkeit. Es ist also das Endprodukt der Nahrung und Verdauung sowie die wichtigste Energiereserve für den ganzen Körper. Wörtlich bedeutet Ojas „Lebenskraft". Diese Vorstellung einer Quellflüssigkeit, die all unseren seelischen und körperlichen Fähigkeiten zugrunde liegt, ist spezifisch für die Ayurvedische Medizin.

Ojas ist keine faßbare Substanz. Es ist das Mark unserer Lebensenergie und existiert in feinstofflicher Form im Herz-Chakra. Es durchströmt den ganzen Körper und vermittelt Stabilität und Stütze. Es ist feucht, von der Art des Nektars (Soma), durchsichtig, etwas rot und gelb. Seine Zerstörung führt zum Tod; nur wenn es zur Genüge vorhanden ist, ist man gesund. Krankheiten entstehen an den Orten, wo es unzureichend ist. Im heutigen Sprachgebrauch könnte man es etwa als die Energie umschreiben, die dem Immunsystem zugrunde liegt.

Ojas wird von Faktoren wie Ärger, Hunger, Sorgen, Kummer und Überarbeitung vermindert. Auch übertriebene oder unnatürliche sexuelle Betätigung, der Gebrauch von Drogen oder Aufputschmitteln, Streß und Angst verringern Ojas, aber auch Nahrungsmittel, die das zum Leben Notwendige nicht mehr enthalten, die Verschmutzung der Umwelt, eine unnatürliche Umgebung und ein Lebensstil, dem es an Rechtschaffenheit fehlt - mit anderen Worten führen die meisten Auswüchse der modernen Kultur und die zunehmende Durchdringung der Technik eher dazu, daß Ojas abnimmt.

Wem es an Ojas mangelt, wird furchtsam, kraftlos, ist ständig besorgt und nicht bei klarem Verstand. Glanzlos und nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte verfällt er zusehends. Eigenschaften wie Geduld und Zuversicht schwinden. Zuwenig Ojas verursacht darüber hinaus chronische, degenerative Erkrankungen oder geheimnisvolle, schlecht behandelbare Infektions- und Nervenkrankheiten. AIDS ist ein modernes Beispiel einer Krankheit, die alle Symptome von zu geringem Ojas aufweist. Auch weniger schwere anhaltende Zustände von Energielosigkeit, darunter schleichende chronische Infektionen, lassen sich spezifisch auf fehlendes Ojas zurückführen.

Ojas kann zugeführt werden durch bestimmte Nahrungsmittel wie Milch, Ghee (geklärte Butter) oder Honig und durch spezielle stärkende Pflanzen wie Asvagandha (Withania somnifera), die Juckbohne Kapikacchu (Mucuna pruriens) oder die Spargelart Satavari (Asparagus racemosus). Praktiken wie Meditation oder Pranayama (siehe Kapitel 16), Mantras wie Om oder Ram und sexuelle Beschränkung sind gleichfalls hilfreich, denn Ojas ist im wesentlichen Sattva-artig (rein). Die Reinigung des Herzens und die positiven Haltungen des Glaubens, Friedens, der Liebe, des Mitgefühls und der Zufriedenheit vermehren ebenfalls Ojas. Genauso trägt auch dazu bei, ein ruhiges Leben zu führen, viel Zeit in der Natur zu verbringen und sich der Lebenskraft zu öffnen, die das Weltall durchströmt.

Aus "Ayurveda-Wesen und Methodik von Subhash Ranade, mit freundlicher Genehemigung des Haug Verlags, Copyright beim Haug Verlag. Dieses Buch können Sie hier direkt bestellen.

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