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Mit Ayurveda und Achtsamkeit mutig und frei fühlen

Mit Ayurveda und Achtsamkeit mutig und frei fühlen

13.09.2023 | von Dr. Shubhangee Satam und Verena Becker. Ob vor Spinnen, Höhen, Prüfungen oder dem Versagen – jeder von uns weiß ganz genau, wie es sich anfühlt Angst zu haben. Nämlich gar nicht gut! Dabei ist Angst ein uralter Schutzmechanismus, der schon unseren Urahnen das Leben gerettet hat. Doch warum fürchten wir uns manchmal grundlos, woher kommen Ängste und wie können Ayurveda und Achtsamkeit uns im Umgang mit diesen helfen, so dass wir mutig und gelassen durchs Leben gehen können?

Bildquelle: Titelbild & Bild unten: © Stocksy United / Erik Rosenberg

 

Warum Angst zum Leben gehört

Stellen Sie sich vor, Sie wären vollkommen angstfrei. Völlig entspannt halten Sie den nächsten Vortrag, spazieren problemlos nachts alleine durch einsame Parks und klettern ohne mit der Wimper zu zucken auf die höchsten Klippen. Klingt vielversprechend? Tatsächlich wäre die Menschheit ohne Angst vermutlich schon ausgestorben. So ist es durchaus sinnvoll, dass unsere Vorfahren vor einem Säbelzahntiger Reißaus genommen haben, anstatt sich mit ihm anzulegen. Ängste warnen uns, halten uns davon ab, unverantwortliche Risiken einzugehen und mobilisieren Kräfte, sei es zur Abwehr oder Flucht. Auch wenn unmittelbare Bedrohungen durch die Natur heutzutage weniger geworden sind, so haben sich dafür neue Ängste herausgebildet.

Ängste gehören somit zum Menschsein dazu. Immer mehr Menschen verspüren jedoch anhaltende Sorgen und Anspannung, ohne dass eine akute Gefahr besteht. Gesunde Angst hört auf, sobald wir anfangen, ständig über diese nachzudenken oder wenn gesundheitliche, berufliche, soziale oder familiäre Schwierigkeiten auftreten – sobald also die Lebensqualität durch diese eingeschränkt wird.

 

"Worry does not empty tomorrow of its sorrow. It empties today of its strength." (Corrie Ten Boom) 

 

Was in unserem Körper passiert, wenn wir Angst haben 

Aus Sicht der Schulmedizin entsteht Angst primär im Gehirn. Wie bei vielen anderen Emotionen auch, ist die Amygdala dabei zentral beteiligt. Immer wenn diese Alarm schlägt, wird das autonome Nervensystem aktiviert, welches dann – wie der Name schon sagt – automatisch körperliche Veränderungen reguliert, typische Symptome sind z. B. innere Unruhe, erhöhter Puls, Zittern, Schwitzen, Verdauungsstörungen oder ein trockener Mund. 

Wir können aber auch subtilere Veränderungen im Alltag beobachten. Wenn uns mal wieder eine Deadline im Nacken sitzt und wir gestresst am Schreibtisch hocken, beginnen wir die Schultern hochzuziehen und sind angespannt. Oftmals ist der Grund für derartige emotionale Zustände, die wir Stress nennen, eigentlich Angst. Die Angst nicht gesehen zu werden, keine Anerkennung zu bekommen oder sozial ausgeschlossen zu werden. Was wirklich dahinter steckt, muss jeder für sich selbst herausfinden. Aber wenn wir ehrlich mit uns sind, können wir oft eine – wenn auch nur ganz diffuse – Urangst finden. 

 

Alles wird gut – Zurück ins Urvertrauen 

Je nachdem, in welchen Lebenssituationen wir uns befinden, fällt es uns mal leichter und mal schwerer, das zu glauben. Haben wir ein Urvertrauen, das noch stärker ist als unsere Ängste, spricht eine Stimme tief in unserem Unterbewusstsein immer wieder genau diese Worte: "Alles wird gut." Wir brauchen das Wissen, dass die Welt ursprünglich gut, wir in Balance sind und alles zu unserem Besten geschieht, um gelassen durchs Leben zu gehen, Krisen zu meistern und nach Rückschlägen wieder aufstehen zu können.. Das Vertrauen in uns selbst und unseren Weg wird vor allem in den ersten Lebensjahren ausgebildet. Doch auch heute noch können wir täglich etwas dafür tun, unser Urvertrauen zu stärken und somit Sorgen und Ängsten mutig und entschlossen zu begegnen. 

 

Ursachen für die Entstehung von Ängsten und Sorgen im Ayurveda 

Auch die ayurvedische Medizin und verschiedene Achtsamkeitslehren liefern hilfreiche Ansätze, um die Angst erfolgreich und nachhaltig hinter sich zu lassen. Was wir heute unter Angststörungen verstehen, zeigt große Ähnlichkeit mit Chittodvega, was so viel bedeutet wie, "Erregung des Geistes". Ayurvedisch gesehen beginnt die Dysbalance auf mentaler Ebene und geht mit erhöhtem Rajas und/oder Tamas einher, im Verlauf zeigen sich dann auch körperliche Symptome, für die vermehrtes Vata verantwortlich ist. Einige Symptome, wie übermäßiges Schwitzen, werden auch mit Pitta in Verbindung gebracht. 

Während körperliche Gesundheit das Ergebnis der Balance von Vata, Pitta und Kapha ist, entsteht geistige Gesundheit durch das Stärken von Sattva. Häufen sich Rajas oder Tamas über einen längeren Zeitraum an, entstehen unweigerlich Probleme auf psychischer Ebene. 

Sattva fördert mentale Balance – wir fühlen wir uns ruhig, kontrolliert, treffen die richtigen Entscheidungen und reagieren angemessen auf unsere Umwelt. 

Rajas ist das Prinzip von Aktivität und Energie und der innere Motor, der uns jeden Tag antreibt, unsere Ziele zu erreichen. Ein gesundes Maß an Rajas verspricht Motivation und Erfolg und muss immer von Sattva kontrolliert werden, sonst nimmt es überhand. Rajas wird durch Leistungsdruck, pausenloses Arbeiten und Stress gefördert. 
Tamas steht für Trägheit und Unwissenheit. Ein tamasischer Geist ist lustlos und lethargisch. Tamas wird gefördert durch übermäßigen Schlaf, Fast Food, fehlende Lebensziele und Werte sowie Desinteresse am Leben.  

Die ayurvedischen Konzepte liefern uns viel praktisches Werkzeug, das jeder von uns direkt anwenden kann. Zusammen mit Tools aus verschiedenen Achtsamkeitslehren kann uns der Ayurveda dabei unterstützen ein starkes Körper-Seele-Geist-System und somit tiefes Vertrauen in uns, unsere Kraft und unseren Weg zu entwickeln, so dass wir in der Lage sind den Ängsten ganz einfach mutig zu trotzen. 

 

Ängste lösen & Urvertrauen stärken  

Die besten 14 Tipps 

 

1. Akzeptanz 

Angst ist im Alltag etwas, was uns häufig einfach ergreift – es steht eine wichtige Prüfung an und die Gedanken überschlagen sich: "Was könnte passieren, wenn...?!" Sie müssen jedoch gar nicht versuchen, gegen die Angst anzukämpfen, schließlich ist Ihr Körper schon genug gestresst, wenn Sie voller Sorgen sind. Versuchen Sie zunächst anzunehmen, dass Ängste immer wiederkommen werden und dass Sie ein Teil unseres Gefühls- und Erfahrungsspektrums sind.  

 

2. Mit der Angst sein 

Sie können aber den Mut entwickeln, mit der Angst zu Sein. Fragen Sie sich: Wie fühle ich mich gerade? Vielleicht spüren Sie Ihren Herzschlag oder Sie sind einfach nur angespannt und Ihre Gedanken bewegen sich wie wild. Versuchen Sie zunächst einfach mit der Angst zu sein. Sie sollen die Angst nicht aus- oder festhalten – aber vielleicht ist es hilfreich, einfach zunächst aufmerksam durch den Körper zu gehen und alle Empfindungen zu spüren. Sie können diese auch laut benennen. So lernen Sie, dass Sie auch mit der Angst leben können. Das kann dazu führen, dass Sie ein Gefühl der Erleichterung verspüren und in der Lage sind, diesen Kreislauf zu durchbrechen, in dem immer wieder neue sorgenvolle Gedanken angeregt werden. 

 

"Mutig zu sein bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern es trotzdem zu tun." 

 

3. Raus aus den Gedanken, rein in den Körper 

Eines der besten Gegenmittel, um zurück in den Körper zu kommen, ist ein flotter Spaziergang an der kalten, klaren Winterluft. Auch moderates Training eignet sich gut – wichtig ist, dass es Ihnen Spaß macht.  

 

4. Affirmationen 

Ob im Rahmen einer Metta-Meditation oder als Notiz am Badezimmerspiegel – Affirmationen wie "Möge ich in der Angst gut für mich sorgen" oder "Ich vertraue meiner Kraft und meinem Weg" helfen Ihnen, Ihren Geist auf hilfreiche Qualitäten neuauszurichten.  

 

5. Zurück ins Hier und Jetzt kommen 

Ob beim Waldspaziergang oder zu Hause – verbinden Sie sich über Ihre Sinne mit der Umgebung und nehmen Sie ganz bewusst wahr, was im Außen passiert. Sehen Sie sich um, berühren Sie etwas in Ihrer Umgebung, fokussieren Sie sich auf das, was Sie alles hören können. Nehmen Sie Gerüche wahr? Was können Sie schmecken? 

 

6. Sich die Sorgen von der Seele reden  

Besprechen Sie Ihre Ängste mit anderen. Entlastung geschieht oft alleine dadurch, dass uns jemand zuhört. Wir teilen uns nicht nur mit, sondern teilen auch unsere Sorgen. 

 

7. Kümmern Sie sich um andere 

Für andere da zu sein, kann helfen Ihre Ängste zu relativieren. Es lenkt Sie von sich selbst an und Sie merken: Ich bin nicht alleine, es gibt vielleicht sogar Menschen, denen es noch schlechter geht als mir. Dabei geht es darum, sich selbst wieder besser zu verorten und vielleicht auch zu spüren: "Eigentlich ist es vielleicht doch nicht so schlimm." 

 

8. Berührung 

Berührung kann ein unfassbar heilsames Instrument sein. Umarmen Sie sich selber, Ihre Katze oder beste Freundin. Berührungen führen dazu, dass Oxytocin ausgeschüttet wird, Sie fühlen sich sicher und geborgen und umarmen auch Ihre Angst. 

 

9. Maximieren Sie Sattva 

Ist Ihr Geist sattvisch geprägt, fällt es Ihnen leichter mit aufkommenden Ängsten umzugehen. 

Laden Sie mehr Sattva in Ihr Leben ein, indem Sie: 

  • sich mit Menschen umgeben, die fried- und liebevoll sind 
  • versuchen in alles, was Sie tun, Achtsamkeit, Bewusstheit und Freude zu bringen 
  • sich gut um sich selbst kümmern, von innen und außen 
  • mit offenem Geist an das Leben herangehen und neues Lernen 
  • ein Gleichgewicht zwischen Aktivität und Regeneration herstellen 
  • Loslassen von Dingen, die Ihnen nicht gut tun 
  • täglich Ihr Erleben reflektieren, mentales Training praktizieren oder meditieren 

 

10. Kein Stress gegen den Stress 

Bei Ängsten und Sorgen ist fast immer auf psychischer Ebene ein Zuviel an Rajas vorhanden. Versuchen Sie also Aktivität auf jeder Ebene Ihres Lebens zu verringern. Schreiben Sie nicht nur Termine in Ihren Kalender, sondern auch Zeiten für Pausen. Lernen Sie auch mal Nein zu sagen. Nehmen Sie den Druck aus Ihrem Leben. Genießen Sie, auch einfach mal Nichts zu tun.  

 

11. Ernährung 

Auch die Wissenschaft bestätigt, dass metabolische Faktoren bei der Angstentstehung ursächlich eine Rolle spielen können. Legen Sie Fokus auf eine frische, einfache, naturbelassene und konstitutionsgerechte Ernährung mit viel Getreide, Hülsenfrüchten, buntem Gemüse, Obst, gesunden Fetten und milden Gewürzen. Besonders gut sind warme und befeuchtende Speisen, die sich von innen so anfühlen, als würden Sie sich in eine Decke einkuscheln. Integrieren Sie alle sechs Geschmacksrichtungen in Ihre Speisen, aber achten Sie darauf, ausreichend süße Lebensmittel zu essen: Wurzelgemüse, Reis, reife Früchte, Walnüsse, Mandeln oder Ghee und Milch wirken besonders erdend und stabilisierend. Versuchen Sie Alkohol, scharfe Gewürze, rotes Fleisch, Koffein und andere Genussmittel zu reduzieren. 

 

12. Ayurvedische Panchakarma-Kur 

Wer schon einmal eine ayurvedische Panchakarma absolviert hat, kennt das Gefühl, dass sich unmittelbar nach der Ausleitung einstellt: Frieden, Klarheit und Wohlbefinden. Das liegt einerseits daran, dass unverdaute Nahrungsbestandteile und Toxine (Ama) ausgeleitet werden, aber auch daran, dass die Doshas wieder in ihr ursprüngliches Gleichgewicht versetzt werden. Denn wenn Ama, überschüssiges Vata und Pitta ausgeleitet sind, wurde ein Teil der Angst geradezu "herausgespült". 

 

13. Anwendungen 

Es muss nicht eine ganze Panchakarma-Kur sein. Auch schon ein Stirnölguss (Shirodhara), eine warme Ganzkörperölmassage (Abhyanga) oder Ganzkörperölguss (Pariseka) in einer Ayurveda Praxis können lindernd wirken. Massieren Sie sich mindestens einmal wöchentlich von Kopf bis Fuß mit warmem Ksheerabala-Thaila ein. Probieren Sie es aus, Sie werden von der wohltuenden und unmittelbaren Wirkung überrascht sein.  

 

14. Therapeutische Unterstützung 

In Asien ist der Hausarzt oft auch Freund, Psychotherapeut und Familienmitglied in einem. Die Patienten haben eine sehr enge und vertraute Beziehung zu ihrem Arzt. Hierzulande ist das eher selten, dafür wird es inzwischen immer mehr üblich, einen Coach zu haben, der ganzheitlich berät. Zögern Sie nicht, sich Unterstützung zu suchen, egal welcher Art. 

 

Mut ist Angst plus ein einziger Schritt – wie wäre es, wenn Sie diesen heute noch gehen?

Wir wünschen Ihnen alles Gute auf Ihrem Weg! 

 

Dr. Shubhangee Satam

Dr. Shubhangee Satam M.D. (Ayurveda) ist Ayurvedaärztin und ausgewiesene Expertin im Gebiet des Dravyaguna und verfügt über langjährige Erfahrungen sowohl im Bereich der klinischen Praxis als auch in der ayurvedischen Pharmazie. Sie arbeitet als Beraterin für führende, international tätige Ayurveda-Pharma-Unternehmen und ist als Seminarleiterin in Europa und den USA tätig.

Verena Becker

Verena Becker ist Redaktionsleiterin des Ayurveda Journals, Doktorandin in der Medizinanthropologie und lebt und forscht seit über zwei Jahren auf Sri Lanka. Im Rahmen ihrer Promotion hat sie unzählige Stunden in Ayurveda Krankenhäusern, Praxen und Universitäten verbracht, Tausende von Patienten begleitet und ein tiefes Verständnis über die Ayurveda-Medizin auf Sri Lanka entwickelt. www.verenabecker.com.de

 

Der Artikel ist erschienen im Ayurveda Journal 76:

Hier können Sie diese Ausgabe bestellen:

https://www.ayurvedajournal.shop/de-de/ayurveda-journal-heft-76-aengste-ueberwinden.html


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