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Medizinierte ayurvedische Öle, Teil 1

Medizinierte ayurvedische Öle, Teil 1

18.03.2011 | Ein Artikel in 3 Teilen über die Bedeutung, Herstellung und Anwendung von medizinierten Ölen im Ayurveda. 1. Teil: Die Bedeutung der Öle und der philosophische Hintergrund. Von Dr. Sajan Kumar. S

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Die Bedeutung der Öle im Ayurveda

Medizinierte Öle umfassen einen wichtigen Bereich innerhalb der ayurvedischen Pharmakologie. In meinem indischen Heimatstaat, Kerala, findet man in jeder Stadt, selbst in den kleinsten, zumindest einige ayurvedische Apotheken, wobei jede von ihnen im Durchschnitt etwa 50 verschiedene medizinierte Öle in ihrem Sortiment führt. Wenn man sich die Produktlisten der führenden Hersteller ansieht, so lassen sich darin bis zu 250 und mehr verschiedene Öle ausfindig machen. Insgesamt sind über 300 Öle, die nach klassischen Rezepturen hergestellt werden, auf dem Markt verfügbar, wobei neue patentierte Öle noch nicht mitgezählt sind. In den klassischen Büchern werden noch hunderte von weiteren Rezepturen beschrieben, die auf dem Markt nicht geführt werden, die aber von ayurvedischen Ärzten nach Bedarf selbst hergestellt werden.

Das wirksamste Mittel zum Ausgleich von Kapha ist Honig, dasjenige für Pitha, Ghee und dasjenige für Vatha ist Öl, insbesondere Sesamöl. Daher stellt Öl eine ideale Grundlage für medizinische Zubereitungen dar, die dem Ausgleich von Vatha dienen. Die Vielfalt beschränkt sich im Ayurveda aber nicht nur auf die Öle, sondern ist auch auf dem Gebiet der Anwendungen zu finden, die sich nach den verschiedenen Körperbereichen und Krankheiten richten. Auf dem Kopf wird Öl beispielsweise in Form von Pichu angewendet, einer Behandlung, bei der ein gefaltetes Baumwolltuch, das in mediziniertem Öl getränkt wurde, auf die Mitte des Scheitels gelegt wird. Eine weitere Behandlungsform im Kopfbereich ist Thalam, bei der das Öl mit einer  Kräuterpulvermischung zu einer Paste verrührt und auf der Mitte des Scheitels aufgetragen wird.
Die bekannteste Behandlung ist sicherlich Shirodhaara, der Stirnguss. Bei Shirovasthi, wird warmes Öl in einer Art Trichter, unmittelbar auf dem Kopf behalten. Weitere Behandlungen sind Urovasthi, bei dem Öl wiederholt erwärmt und auf dem Brustkorb bewahrt wird; Kateevasthi stellt die gleiche Behandlung auf dem Rücken dar; Thailavasthi ist ein Einlauf aus mediziniertem Öl; bei Dhaara wird warmes Öl wiederholt auf bestimmte Körperstellen oder über den ganzen Körper gegossen; unter Abhyangam versteht man eine allgemeine Ölmassage; Kabalam ist eine Anwendung, bei der Öl eine Zeit lang im Mund behalten wird; Snehapanam ist die innere Einnahme von Ghee oder Öl; bei Karnapooranam wird lauwarmes Öl in das Ohr gegossen; und bei Utharavasthi wird das Öl in die Genitalien eingeführt.

Allgemein gilt im Ayurveda das Auftragen von Öl auf den Kopf, in die Ohren und auf die Füße  als höchst wichtig und wird als tägliche Anwendung empfohlen. Aus ayurvedischer Sicht macht die tägliche Ölmassage die Haut spannkräftig, beugt der Faltenbildung vor und verbessert das Sehvermögen. Die Massage begünstigt weiterhin eine gute körperliche Entwicklung, wirkt förderlich auf einen gesunden Schlaf und trägt zu einem langen Leben bei.

Uruli

Philosophischer Hintergrund

Snigdham gilt als die bedeutendste Eigenschaft von Öl, welche ursprünglich dem Element Jalam oder Wasser zugeschrieben wird. Snigdham ist eine Eigenschaft, welche trockene und spröde Erde in weichen, geschmeidigen Schlamm verwandelt. Gemäß dem modernen Verständnis ist es die Schwerkraft, welche die Formen schafft, indem sie die Teilchen aneinander bindet. Dies steht in Übereinstimmung mit der Auffassung der indischen Lehren über das Element  Bhoomi oder Erde.
Der Unterschied zwischen der Bedeutung von snighdam und dem modernen Verständnis der Schwerkraft liegt darin, dass Schwerkraft eine Verbindung und Ganzheit schafft, die zur Statik führt, während  die von snigdham mit einem gewissen Grad der Mobilität, wie auch der Flexibilität einhergeht. Durch die Umwandlung, die durch snigdham bewirkt wird, kehrt sich die Tendenz zur Auflösung und zum Zerfall in eine Integrität um; der degenerative Zustand wird damit in einen aufbauenden verwandelt und die Desintegrität wieder zu einer Einheit oder Ganzheit gesammelt.
Diese beiden gegensätzlichen Kräftewirkungen stehen repräsentativ für das Dualistische in allen Erscheinungen in der Natur. Die Kraft zur Einheit und Verbindung ist die grundlegendste Ursache für Leben und Wachstum, während die Kraft der Trennung und Desintegrität zu Konflikten, Einsamkeit, sowie zu Krankheit, Alterung, Tod und Zerfall führt. Lipide werden im Ayurveda generell auch als sneham bezeichnet, was andeutungsweise auf die Eigenschaft von snigdham hinweist. Sneham bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch, Liebe, und Liebe wird ebenfalls mit Zusammenführung und Verbindung asoziiert.

Alles was existiert, hat seinen Ursprung in der Vergangenheit und sieht unweigerlich seinem Ende in der Zukunft entgegen. Die dualen Kräfte sind letztendlich die Ursache für die Erschaffung und Zerstörung. Sie sind während des ganzen Lebens wirksam, wobei in der ersten Lebenshälfte die konstruktive, aufbauende Kraft dominiert und in der zweiten Lebenshälfte die degenerative, abbauende Kraft. Dieses allgemeine Prinzip lässt keine Ausnahmen zu.
Alle Vorgänge laufen in Rhythmen und Zyklen ab und jeder vollständige Zyklus beinhaltet diese zwei Phasen oder Kräfte. Das gleiche trifft auch im Hinblick auf kleinere Zeitspannen zu. 
Beispielsweise führt uns die Tages- und Wachzeit zu einer Öffnung und Weitung und lässt uns Energie verbrauchen, wodurch wir die kühlenden snigdha-Qualitäten verlieren. Die Nacht und der Schlaf bewirken das Gegenteil hiervon, indem sie die verausgabten Kräfte wieder zurücksammeln. In ähnlicher Weise führt die wärmere Jahreshälfte, die im Sommer ihren Höhepunkt findet, zu einer Auszehrung der Kräfte der Lebewesen auf der Erde. Mit dem Beginn der darauf folgenden Jahreszeit dagegen, werden diese Kräfte wieder zurückgeführt.
In Indien ist diese Zeit ganz klar gekennzeichnet durch die Ankunft des Monsoons am Ende des heißen und auszehrenden Sommers. Der Beginn der Regenzeit geht mit weitreichenden landwirtschaftlichen Aktivitäten in Form von Anpflanzungen und dem Säen von Samen einher.
Diese grundlegenden dualen Kräfte in der Natur und im Kosmos herrschen in unterschiedlichen Formen und Graden in allen dualen Eigenschaftspaaren vor, wie z. B.  als kalt und warm, leicht und schwer, rauh und glatt, feucht und trocken, usw. Dabei wird jeweils eine dieser Eigenschaften von der einen Kraft beherrscht und deren Gegenspieler von der anderen Kraft. Auch Pflanzen und Tiere lassen sich nach diesem Prinzip charakterisieren und einordnen. So herrschen in Pflanzen mehr die Qualitäten snigdha und seetham (kühlend) vor, während in Tieren die heißen und trockenen Qualiäten dominieren. Daher stellen Pflanzen im Hinblick auf den Stoffwechsel die aufbauende und Tiere die abbauende Seite der Dualität dar.

Snigdham ist, wie schon erwähnt, eine Eigenschaft, die dem Element Wasser zugeordnet wird und somit mehr oder weniger allen flüssigen Substanzen. Öle gelten als Flüssigkeiten, welche diese Eigenschaft in einer idealen Weise beinhalten, die das menschliche Leben aufrechterhält und verjüngt. Zeichen, wie Trockenheit, Leichtigkeit, Rauhheit u. s. w. deuten auf ein Vorherrschen von Vatha hin und lassen auf Degeneration, Mangelernährung und den Verlust der Vitalität schließen, was zu degenerativen Erkrankungen, wie Arthritis führen kann. Etwa ab der Lebensmitte gewinnt Vatha natürlicherweise die Vorherrschaft, was allgemein zu einem Nachlassen der Kräfte, zur Faltenbildung der Haut u. s. w. führt. Alle diese Erscheinungen zeigen deutlich die Notwendigkeit der inneren oder äußeren Aufnahme von Öl an. In der zweiten Lebenshälfte werden die aufbauenden Kräfte des physischen Körpers im Verhältnis zu den abbauenden Kräften schwächer. Aus diesem Grunde kommt dem Öl mit zunehmendem Alter eine immer wichtigere Rolle zu.

Im 2. Teil geht der Autor auf die genaue Herstellung der Öle unter Berücksichtigung von agni und ihre Anwendung ein.

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Dr. Sajan Kumar Somarajan
Pappelweg 33
63741-Aschaffenburg

E- Mail: vedayurkerala@gmail.com
Web: www.ayurvaidya.de

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