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Interview mit Dr. Gupta

Interview mit Dr. Gupta

09.02.2005 | "Das Wichtigste, was Ayurveda lehrt, ist das Glücklichsein."Dr. S. N. Gupta, (B.A.M.S.), MD (Ayur.) ist ein weit über die Grenzen seines Landes bekannter und mehrfach ausgezeichneter Ayurveda-Arzt. Als leitender Chefarzt am P.D.Patel Ayurveda Hospital und Professor am J.S. Ayurveda College in Gujarat/Indien ist es ihm gelungen, eine der angesehensten Pancakarma-Kliniken Indiens aufzubauen, in der Patienten aus ganz Indien und Europa medizinische Hilfe erhalten. Er ist seit vielen Jahren der akademische Kopf der Ausbildung für Ayurveda-Medizin an der Europäischen Akademie für Ayurveda, Birstein.

ayurveda-portal.de: Wie sind Sie zu Ayurveda gekommen?

Dr. Gupta: Nachdem ich meine Schulausbildung abgeschlossen und 2 Jahre Naturwissenschaften studiert hatte, begann ich 1972 meine Ayurveda-Ausbildung. Ich studierte 5 ½ Jahre an der Universität von Indore und erwarb nach weiteren 3 Jahren meinen Doktortitel (Post-Graduierten Studium). So bin ich Ayurveda-Arzt geworden.

ayurveda-portal.de: Aber wie kamen Sie darauf Ayurveda zu studieren?

Dr. Gupta: Oh, das war eher zufällig. Ich war zunächst überhaupt nicht an Ayurveda interessiert. Ich war Student der Naturwissenschaften und wollte dann Schulmedizin studieren. Doch aufgrund politischer Umstände (Quotenregelungen) wurde mir mein zugesagter Studienplatz wieder entzogen. Meine Professoren waren nicht daran interessiert, mich woanders studieren zu lassen. Sie wollten, daß ich mein Studium der Naturwissenschaften fortsetze und mit dem Doktortitel abschließe. Und wenn, dann sollte ich westliche Medizin studieren, aber keinesfalls Ayurveda. Denn sie sagten, dies wäre nichts für Leute wie mich…(Lacht!). Ja, es ist wahr!
Ich war verwirrt. Ich wollte etwas in Verbindung mit Heilung tun, aber ich wollte auch nicht noch einmal versuchen, eine Zulassung für das Schulmedizinstudium zu erhalten.
Aus der Not heraus beantragte ich die Zulassung für Ayurveda, obwohl ich aufgrund meines naturwissenschaftlichen Hintergrundes nicht wirklich an die Wirksamkeit dieses Systems glaubte. Natürlich hatte ich während meiner Kindheit und in der Familientradition einigen philosophischen und indologischen Hintergrund über die vedische Literatur erworben, doch innerlich war ich eher ein ‚Ungläubiger’. Aber da ich nun einmal da war und etwas Sinnvolles tun wollte, wuchs nach und nach das Interesse. Bereits nach einem Jahr begann ich über die ayurvedischen Prinzipien nachzudenken und sie aus der naturwissenschaftlichen Sichtweise zu bewerten und kam zu dem Schluss, dass die ayurvedischen Prinzipien durchaus naturwissenschaftlich zu begründen sind.
Schon in dieser Studentenzeit wollte ich etwas Praktisches tun, denn hauptsächlich wollte ich Arzt und Heiler werden. Also begann ich einige ayurvedische Verfahren auszuprobieren. Ich fand heraus, dass diese Unglaubliches vollbringen konnten.
Ich schloss mein Studium an der Universität von Indore in Zentralindien ab. Ich war der beste des Jahrgangs. So entschied ich mich für eine dreijährige Doktorandenlaufbahn an der Universität von Jamnagar.
Am 1. Juli 1981 begann ich an einem Ayurveda-College in Nadiad zu arbeiten, an dem ich noch heute tätig bin. Zu Beginn war es noch ein kleines Institut mit wenig Arbeit und wenigen Patienten. Aber ich nahm diesen Umstand als Herausforderung wahr. Von Anfang an nahm ich sehr komplizierte Fälle an, manchmal auch Patienten, welche sogar an anderen Krankenhäusern zurückgewiesen worden waren. Durch meine Behandlungen konnte oftmals ihre Gesundheit wieder hergestellt werden, was selbst die schulmedizinisch ausgebildeten Ärzte sehr verwunderte. Diejenigen, die offen waren, fingen dann an, mir Patienten zu schicken.
Seit dieser Zeit bis heute sind ungefähr 80% der Belegung, das Krankenhaus hat insgesamt 120 Betten, solche schweren Fälle. Das heißt wir haben Patienten mit chronischen Beschwerden wie Arthritis, Asthma, chronisches Nierenversagen, Leberzirrhose, fortgeschrittene Herzkrankheiten oder auch Psoriasis.

ayurveda-portal.de: Wie sind Sie letztendlich dann den Rosenbergs vom Mahindra Institut begegnet?

Dr. Gupta: Das erste Mal bin ich 1992 nach Deutschland gekommen. Und zwar über einen Freund, der in der Nähe von Stuttgart Yoga unterrichtet. 1987/88 schrieb er einen Brief an alle Ayurveda-Colleges in Indien, dass er Ayurveda lernen wolle. Er bekam keine Antwort außer von mir. Ich schrieb ihm, dass er nach Indien kommen könne. So blieb er 3-4 Monate bei mir, in denen er Ayurveda lernte. Dann ging er zurück nach Deutschland. 1991 erhielt ich einen Brief von ihm, in welchem er fragte, ob ich nach Deutschland kommen könnte. Denn er hätte einige Freunde, die an Ayurveda interessiert seien, aber nicht nach Indien kommen könnten. So kam ich nach Deutschland und trat mit dem Mahindra-Institut in Kontakt. Zur gleichen Zeit wurde von Elmar Stapelfeldt, damals an der indologischen Fakultät, in Kooperation mit der medizinischen Fachschaft eine Vorlesungsreihe an der Universität Tübingen über Ayurveda für mich organisiert. Erst später, 1994 richteten Kerstin und Mark Rosenberg dann das erste Seminar im Mahindra-Institut mit mir aus. Seit dem gaben wir dort Grundkurse in Ayurveda. Als das Interesse zunahm, erweiterten wir das Angebot um Kurse für Fortgeschrittene. Bis heute habe ich über 2000 Studenten im Mahindra-Institut auf ihrem Weg mit Ayurveda unterstützt und wir unterrichten seit 4 Jahren auch interessierte Ärzte und Heilpraktiker in einem speziellen 3-jährigen Ayurveda-Kurs (SAM-Ausbildung).

ayurveda-portal.de: Wie beurteilen Sie die Entwicklung von Ayurveda in Deutschland und in Indien? Sehen Sie Unterschiede?

Dr. Gupta: Eine sehr gute und häufig gestellte Frage. Es gibt einen großen Unterschied. In Indien wird Ayurveda seit vielen Jahrhunderten praktiziert. Hier in Deutschland ist er sehr neu, doch er nimmt schnell an Popularität zu.
Als ich 1992 das erste Mal nach Deutschland kam, sah ich eine Dokumentation, in der ein Journalist Leute auf der Straße fragte, was sie über Ayurveda wüssten. Die meisten Leute fragten, ‘Was ist das? Ist das eine Schokolade?’
Ich habe viele lustige Geschichten und auch einige Mythen über Ayurveda gehört. Demgegenüber hat sich heute Vieles geändert. Die Leute sehen in Ayurveda nicht mehr nur Massagen und Ölbehandlungen. Viele wissen inzwischen, dass Ayurveda ein wissenschaftliches Heilsystem ist, um Krankheiten zu behandeln.
Bei meinem ersten Besuch in Deutschland sagte man mir, dass es sehr schwierig werden würde, die Menschen von diesem System zu überzeugen. Denn ihr Lebensstil, ihr Denken und ihre Ernährungsweise sei sehr verschieden von dem was Ayurveda sagt und sie würden es auf gar keinen Fall ändern wollen. Wenn man ihnen sagen würde, dass sie von diesem und jenem nicht so viel essen und trinken sollen, würden sie es nicht akzeptieren, denn sie seien eingefahren und stur. Aber ich sagte, sie könnten versuchen, sich wenigstens ein bisschen zu ändern und nicht gleich alles auf einmal. Mit nur ein paar Veränderungen und mehr Regelmäßigkeit ist schon einiges erreicht. Wir können nicht das gesamte Denken und den gesamten Lebensstil ändern, doch können wir das Interesse wecken, sich mehr positiven Dingen zuzuwenden.

ayurveda-portal.de: Welche gesellschaftspolitische Entwicklung sehen Sie bezüglich Ayurveda?

Dr. Gupta: Die Entwicklung eines Medizinsystems in einer Demokratie hängt von der öffentlichen Nachfrage ab. Indien z.B. wurde 1947 unabhängig und bis dahin hatte die britische Besatzungsmacht natürlich kein Interesse an Ayurveda oder an anderen indischen Kulturgütern. Ihr Interesse bestand, im Gegenteil, darin, die Kultur auszulöschen und sie haben es auch auf verschiedene Arten versucht. Auch die erste indische Regierung nach der Unabhängigkeit, die dann an die Macht kam, hatte nur wenig Interesse an Ayurveda, denn die Politiker waren im westlichen System ausgebildet worden. In ihrem naturwissenschaftlich geprägten Denken wollten sie ihr Land im westlichen Stil aufbauen. Ihrem Denken zufolge gehörte Ayurveda der Vergangenheit an und war nun nicht mehr nützlich. Doch einige traditions- und gesundheitsbewusste Menschen zeigten allmählich mehr Interesse und Nachfrage an Ayurveda.
So kam es dazu, dass die Regierung Ayurveda als Teil der indischen Kultur anerkennen musste. Heute gibt es in Indien zwei Universitäten denen über 200 von der Regierung anerkannte Colleges angeschlossen sind. Außerdem mehr als hundert Ausbildungsstätten für Doktoranden. Und dies alles wegen des öffentlichen Interesses und der Nachfrage. Das gleiche passiert hier (Deutschland). Wenn man sich für Ayurveda interessiert, kann einen niemanden davon abhalten, Ayurveda zu lernen. Da ist man frei. Und je mehr Nachfrage nach Ayurveda besteht, desto eher wird auch die Regierung sich mit dem Thema befassen. Und dies sollte sie (die Regierung) meiner Meinung nach auch tun, so dass Ayurveda auf einem rechtmäßigen Weg eingeführt werden kann. Ayurveda sollte weder hier noch anderswo durch die Hintertür eingeführt werden, sondern unter dem ‚Schutz der Gesetze’.

ayurveda-portal.de: Ist es möglich die klassischen ayurvedischen Texte, wie die Charaka Samhita, auf das westliche System anzuwenden?

Dr. Gupta: Dies ist nicht die eigentliche Schwierigkeit. Normalerweise denken die Leute immer, dass es große Unterschiede in den Kulturen gibt. Doch wenn man genau betrachtet, was Kultur ist, wird man feststellen, dass Kultur nichts Statisches ist. Die Kultur ist wie ein Fluss, der ständig in Bewegung ist. Zu Beginn ist ein Fluss ein kleines Rinnsal und wenn er sich im Flussdelta ins Meer ergießt, hat er sich komplett verändert. Genauso verhält es sich mit einer Kultur.
Eine Kultur verändert sich ständig nach unseren Bedürfnissen. In dieser modernen Welt können wir nicht einfach die alten Schriften übernehmen. Natürlich werden sie uns eine wichtige Grundlage geben, doch wir müssen nach neuen Erklärungsmustern suchen und sie in einem neuen Licht betrachten. Indem wir die alten Schriften anpassen, wird Ayurveda uns noch nützlicher sein. Wir leben in einer naturwissenschaftlichen Ära, die von schneller Veränderung und Entwicklung geprägt ist. Die modernen Menschen werden Ayurveda nur akzeptieren, wenn wir das Wissen ebenfalls weiterentwickeln.

ayurveda-portal.de: Gibt es ein spezielles Projekt, das Sie im Moment verfolgen?

Dr. Gupta: Ja, es gibt zwei aktuelle Projekte, die mir sehr wichtig sind:
Zum einen möchte ich immer mehr Menschen die Möglichkeit bieten, die Tiefen des Ayurveda kennen zu lernen, und zwar auf eine möglichst wissenschaftliche und logische Art und Weise. Diese Möglichkeit ist mir nun im Mahindra-Institut gegeben, denn hier bieten wir mittels einer intensiven 3-Jahres-Ausbildung mit 1400 Unterrichtsstunden speziell für Ärzte eine Intensiv-Ausbildung an.
Zum anderen betreibe ich in meiner Klinik in Indien Forschungen zu den unterschiedlichsten Krankheiten. Wissenschaftliches Arbeiten ist mir besonders auf Grund meiner anfänglichen Ausbildung in den Naturwissenschaften ein wichtiges Anliegen.

ayurveda-portal.de: Die Ausbildung zum Ayurveda-Arzt sagten Sie zu Beginn dauert in Indien über fünfeinhalb Jahre…und hier 3 Jahre? Was ist der Unterschied?

Dr. Gupta: In Indien kommen die Studenten direkt aus der Schule. Sie sind um die 17 Jahre alt und haben noch nicht viel Erfahrung oder Wissen. Da muss das gesamte Basiswissen mit gelehrt werden. Hier lehren wir vor ausgebildeten Ärzten, die bereits eine lange Ausbildung hinter sich haben und ein entsprechendes Wissen sowie Lebens- und Heilerfahrung mitbringen.
Aus diesem Grund ist die Ausbildung hier im Mahindra-Institut wesentlich kürzer.

ayurveda-portal.de: Haben Sie noch einen Lehrer oder Meister in Ayurveda?

Dr. Gupta: Ich habe noch verschiedene Lehrer und Ärzte in Indien, von denen ich lerne. Sehr viel habe ich aber besonders durch meine klinische Erfahrung in Indien gelernt. Viel Wissen ist einfach durch die Jahre aus mir selbst heraus gewachsen.

ayurveda-portal.de: Wo kann man von Ihnen ärztliche Konsultationen erhalten?

Dr. Gupta: Konsultationen mit mir können im Mahindra-Institut mit Herrn Elmar Stapelfeldt (HP), Sandra Grünes (HP) und Kalyani Nagersheth (Ärztin) vereinbart werden. Dreimal im Jahr bin ich in Deutschland, um zu unterrichten und medizinische Pancakarma-Kuren zu begleiten. In Indien können Sie gerne meine Klinik besuchen. Der Aufenthalt dort ist für Patienten aus dem Westen vergleichsweise günstig, weil wir viele Spenden bekommen, die die Preise gering halten.
Sollten Sie mehr Informationen benötigen, die Adresse und Ähnliches, wenden Sie sich doch bitte an das Mahindra-Institut in Birstein.

ayurveda-portal.de: Was halten Sie vom ayurveda-portal.de?

Dr. Gupta: Ich finde, es ist eine gute Idee, eine Brücke zwischen den Ayurveda-Interessierten und den Ayurveda-Anbietern zu schlagen.
Als wichtig erachte ich vor allem die Vermittlung von ayurvedischem Basis-, also Grundwissen. Man muss natürlich aufpassen…oft sagt jemand etwas zu Ayurveda, und es sind einfach nur gut gewählte Worte, die aber nichts mehr mit den klassischen Texten und der ursprünglichen Praxis zu tun haben. Es ist wichtig, daß das, was kommuniziert wird, auch Hand und Fuß hat. Besonders für Menschen, die gerade erst anfangen, sich mit Ayurveda zu beschäftigen, ist es wichtig, die klassischen Texte als gutes Basiswissen zu erhalten.

ayurveda-portal.de: Gibt es etwas, dass Sie unseren Besuchern des Ayurveda-Portals noch auf ihren Weg zu Ayurveda mitgeben möchten?

Dr. Gupta: Jeder Mensch sollte glücklich sein. Das Wichtigste, was Ayurveda lehrt, ist das Glücklichsein. Wenn Sie mit dem Momentanen glücklich sind, dann freut sich die Schöpfung und sein „Schöpfer“ mit Ihnen. Sollten Sie jedoch nicht glücklich sein, dann schauen Sie, was es dazu benötigt. Dabei kann Ihnen das unendliche Wissen des Ayurveda helfen. Nutzen Sie es.

ayurveda-portal.de: Vielen Dank!

Kontakt: www.ayurveda-akademie.org


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