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Interview mit Dr. Vasant Lad

Interview mit Dr. Vasant Lad

07.11.2004 | "Ayurveda ändert unser aller Leben!"Dr. Vasant Lad wurde in Indien geboren und arbeitete dort mehrere Jahre als medizinischer Leiter eines ayurvedischen Krankenhauses in Puna. Seine akademische und praktische Ausbildung umfasste zudem das Studium der Allopathie (westliche Medizin) und der Chirurgie. Er ist weltweit anerkannter Experte für die Praktiken und Methoden der ayurvedischen Medizin und ist Begründer und Leiter des Ayurvedic Institute in Albuquerque, New Mexico. Es ist uns eine besondere Ehre, Dr. Lad Ihnen mit diesem Interview persönlich vorstellen zu dürfen.

ayurveda-portal.de: Wie sind Sie zu Ayurveda gekommen?

Dr. Vasant Lad:
Mein Vater stellte bereits ayurvedische Medizin für Patienten, Familie und Freunde her. Die Mutter meines Vaters hatte Nierenprobleme mit Nekrosen. Außerdem hatte sie hohen Blutdruck. Der ganze Körper war ödematös. Mein Vater brachte sie zunächst zu einem schulmedizinisch ausgebildeten Arzt. Zu dieser Zeit gab es allerdings noch nicht einmal die Dialyse. Er behandelte sie…die Ödeme blieben. Schließlich sagte der Arzt, dass es ein sehr schwieriger Fall sei, und er nicht wisse, ob sie überleben würde. Daraufhin zog mein Vater einen ayurvedischen Arzt zu Rate. Der alte Mann kam zu uns nach Hause. Meine Großmutter war so zu geschwollen, dass der Puls am Handgelenk nicht zu fühlen war. Der Arzt fühlte dann den Puls am Daumen und suchte dort nach bestimmten Anzeichen. Dann stellte er Kräutermischungen für sie zusammen und bat mich, diese alle 3 Stunden für sie herzustellen. Ich war 10 Jahre alt (!) und ich sagte: Ok, das mache ich!“ So fing er an, mir die Herstellung der Mixturen und der anderen Sachen zu erklären. So gab ich meiner Großmutter regelmäßig, alle 3 Stunden, die Medizin: Tees, Abkochungen und Pulver. Ich beobachtete daraufhin eine wundersame Veränderung. Innerhalb von 8 Tagen waren die Ödeme verschwunden und das Befinden meiner Großmutter verbesserte sich sehr, ihre Benommenheit verschwand. Der Arzt kam alle paar Tage, um sie zu untersuchen. Er sagte: „Es ist großartig. Ihr geht es gut.“ Innerhalb eines Monats war sie vollkommen wieder hergestellt und sie konnte wieder gehen.
Dieser Arzt und mein Vater hielten mich dazu an, Ayurveda zu erlernen. Ich aber war mehr an der westlichen Medizin interessiert und wollte gern ein Schulmediziner werden. Aber die Gebühren waren sehr hoch und mein Vater konnte sich diese nicht leisten. Er sagte, dass er mich nicht auf die Medizinische Hochschule schicken könne. Doch es gäbe eine Alternative: ich sollte auf die ayurvedische Hochschule gehen. Diese Schule war sehr, sehr billig. Also begab ich mich in trauriger Stimmung auf das Ayurveda College. Ich hasste es – warum sollte ich all diese Sachen lernen. Aber nach und nach… wenn mal erst mal verheiratet ist, muss man mit der Person zusammenbleiben und lernen mit ihr zusammenwachsen (Lachen) (Anmerkung der Redaktion: in Indien ist es durchaus üblich, dass Hochzeiten arrangiert sind und das Brautpaar sich vorher nicht oder kaum kennt). Und tatsächlich, ich verliebte mich allmählich nach der Heirat (mehr Gelächter). Und es ist so wunderbar, ich liebe es, ich denke, es ist ein großartiges System.


ayurveda-portal.de: Soweit ich weiß, haben Sie beide medizinischen Abschlüsse.

Dr. Vasant Lad:
Ja, auch damals gab es bereits integrierte medizinische Fakultäten. Wir lernten die moderne Anatomie, moderne Physiologie und moderne Gynäkologie. So lernte ich beide Systeme gleichzeitig. Dies war ein großer Vorteil. Ich lernte die Allopathie und Ayurveda.


ayurveda-portal.de: Sie leben jetzt überwiegend in Albuquerque (New Mexico). Wie kam es dazu?

Dr. Vasant Lad:
Einer meiner Freunde aus Amerika besuchte mich in Poona und er sagte zu mir: „Dr. Lad, was Sie tun ist einfach unglaublich. Warum kommen Sie nicht nach Amerika, die Leute werden es lieben. Also besuchte ich ihn. Wir reisten gemeinsam und begannen, Vorträge und Seminare zu Ayurveda abzuhalten. Während dieser Reise kam ich dann auch nach Santa Fe, eine der schönsten Städte, die ich gesehen hatte. Dort gab es ein College für Naturheilkunde. Ich gab ein Seminar und den Leuten gefiel es. Ich wurde eingeladen, dort Dozent zu werden, aber ich hatte nach drei Monaten Reise Heimweh und lehnte ab.
Der Präsident des Colleges schrieb mich immer wieder an und eines Tages schickte er ein Flugticket. Daraufhin musste ich fliegen und ich ging nach Santa Fe an das College für Naturheilkunde. Ich fing an, dort etwa 100 Studenten zu unterrichten. Doch dann gab es interne politische Schwierigkeiten und die Schule musste schließen.
Als Resultat daraus entstand eine andere Schule, das Institut für traditionelle Medizin (ITM).
Diese wollte, dass ich auch weiterhin Ayurveda unterrichte. Ich wollte aber nicht mehr ohne meine Familie in Amerika leben und so kamen meine Kinder und meine Frau 1980 zu mir.
Aufgrund interner Probleme schloss die Schule ein 2. Mal.. Ich war entschlossen, wieder nach Indien zurückzukehren.
Ich packte also all meine Sachen, um zurück zu fliegen. In dieser Nacht kam ein Student zu mir: „Gehen Sie nicht, bitte bleiben Sie“, sagte er. „Wir werden alles für Sie arrangieren. Wir lieben Sie. Wir wollen, dass Sie uns unterrichten. Wir wollen Ayurveda!“
Und so startete die Schule von Neuem, geleitet von meinen Studenten. Ein Student kaufte das Haus, ein anderer den Grund, die Einrichtung, einfach alles. Sie sagten: „Sie werden unterrichten und wir werden zuhören.“ Einer der Studenten übernahm dann die Verwaltung, ein anderer die Buchführung und viele andere übernahmen weitere Aufgabe. Es war also ein Team aus Studenten, die zusammenarbeiteten. Erstaunlich! Seit der letzten 20 Jahre…und dies wurde dann „The Ayurvedic Institute“. Ist das nicht eine wunderschöne Geschichte ? (Lachen)


ayurveda-portal.de: Ja, das ist es! Wie sehen Sie denn die Entwicklung von Ayurveda in den Vereinigten Staaten insgesamt ?

Dr. Vasant Lad:
In den letzten 20 Jahren blüht der Ayurveda auf. Selbst Leute, die das Wort selbst nicht aussprechen können, kennen es bereits. Wir unterrichten u.a. die Fächer Sanskrit, ayurvedische Immunologie, ayurvedische Pharmakologie, und den klinischen Ayurveda-Bereich, die ayurvedische Philosophie und wir haben sogar Sutra-Klassen (Anmerkung der Redaktion:Verse in Sanskrit).
Die Menschen kommen zu uns, um Panchakarma zu machen und um Rasayanas (Amnerkung der Redaktion: lebensverlängernde Mittel/Maßnahmen) zu bekommen. Alles ist so richtig in Gang gekommen. Obwohl die Krankenversicherung nicht dafür bezahlt und die Leute aus ihrer eigenen Tasche bezahlen müssen, gibt eine hohe Nachfrage, Natürlich gibt es auch positive Ausnahmen, wo die Versicherung bezahlt hat, aber dies sind eben Ausnahmen.


ayurveda-portal.de: Glauben Sie, dass es notwendig ist, dass Ayurveda in Zukunft von den Krankenversicherungen akzeptiert wird?

Dr. Vasant Lad:
Es gibt keinen Zweifel, dass Ayurveda weiter wachsen wird. Natürlich wäre es gut, wenn die Krankenversicherungen anfangen würden, Ayurveda zu würdigen. Denn diese Versicherungen sind doch für die Gesundheit da. (Anmerkung der Redaktion: in englisch ‚health insurance’ – Gesundheits-Versicherung). Und die Gesundheit der Menschen wird durch Ayurveda erreicht – also warum sollten die Versicherungen genau das nicht bezahlen.


ayurveda-portal.de: Sind die klassischen ayurvedischen Texte, wie beispielsweise die Charaka Samhita, auf den Westen übertragbar?

Dr. Vasant Lad:
Ich unterrichte meine Studenten in den Sutras von Charaka Samhita, sie lieben es. Charaka ist ein unendlicher Quell des Wissens, aber nicht in geordneter Reihenfolge. Manchmal spricht Charaka über den Überlebenskampf in Kapitel 3, dann plötzlich wieder in Kapitel 16 und dann wieder spricht er über Rasayanas in einem ganz anderen Kapitel.
Charaka ist dennoch wunderbar. Die Texte sind aufgebaut wie ein Frage-Antwort-Dialog zwischen Charaka und seinen Schülern. Hat einer der Schüler eine Frage zum Überlebenskampf, dann stellt er dazu eine Frage. Ein anderer stellt eine Frage zur Ideologie und noch ein anderer befragt Charaka zu den Jahreszeiten und Charaka beantwortet jeweils die Fragen.
Man sollte Charaka in Reihenfolge bringen – alles zum Thema Überlebenskampf in ein Kapitel, die gesamte Ideologie in ein anderes Kapitel und alle Behandlungen in ein weiteres Kapitel. Das würde eine gute Weiterführung des vorhandenen Textes sein und die Menschen würden es mögen. Aber dennoch ist Charaka, trotz der Schwierigkeiten, ihn zu verstehen und seiner Komplexität, bei unseren Studenten sehr beliebt. Sie lesen die Texte wie ein richtiges Buch.
Und ja, Charaka ist übertragbar. Das einzige ist, dass ein gewisser Teil der Charaka so spirituell und so grundlegend ist, dass dieser kaum in die Praxis umgesetzte werden kann. Heutzutage wollen die Menschen ein Wundermittel haben, das sie sofort heilt. Die Menschen denken heute folgendermaßen: Schauen Sie, das ist mein Auto – reparieren sie es! Mit meinem Körper machen Sie es bitte genauso!
Der Ayurveda sagt zu dieser Art und Weise jedoch NEIN. Mit diesem Medizinsystem muss man selbst die Verantwortung übernehmen, man muss eine gewisse Diät, eine bestimmte Lebensart befolgen, und Yoga, Meditation und Pranayama (Atemübungen) anwenden…und dafür sind die Menschen noch nicht reif genug.
Die Panchakarma funktioniert hier im Westen sehr gut. Während einer Panchakarma-Kur gibt es sehr viel, was wieder ins Lot gebracht wird – es gibt die Abhyanga, die Einölung, das Schwitzen – vieles, warum die Menschen die Panchakarma so mögen. Aber in anderen Bereichen, wie in der Lebensart oder in der täglichen Routine, da sind die Leute ein wenig widerstrebend und auch zu faul, um sich zu ändern.


ayurveda-portal.de: Gibt es zur Zeit ein spezielles Projekt, dass Sie verfolgen?

Dr. Vasant Lad:
Zu Anfang unterrichteten wir jeden in Ayurveda. Heute jedoch unterrichten wir vor allem Menschen vom medizinischen Fach: Ärzte, Therapeuten der Chiropraktik, Therapeuten der Akupunktur, Krankenschwestern, etc. All diese Menschen lernen nun Ayurveda. Und langsam beginnen wir damit, wissenschaftliche Untersuchungen in Ayurveda durchzuführen. Wenn wir, zum Beispiel, richtig gute Studien zu Shatavari (Anmerkung der Redaktion: indischer Spargel) hätten, welche zeigen, dass Shatavari einen positiven Effekt auf Dysmenorrhoe hat oder Untersuchungen, welche die Wirksamkeit von Brahmi bei Menschen mit Parkinson beweisen würden, würde das der Welt klar machen, dass Ayurveda kein Hokus Pokus ist, sondern wirklich funktioniert. Das ist mit ein Grund, warum Ärzte jetzt wieder als Studenten Ayurveda bei mir lernen. Sie sind daran interessiert, Research durchzuführen. Und wenn wir diese Untersuchungen machen, darüber schreiben und diese als wissenschaftliche Studien veröffentlichen, dann können wir auch „wissenschaftliches“ Ayurveda machen. Dies würde die Augen der medizinischen Welt öffnen. Dies ist ein sehr wichtiges Projekt für die westliche Welt.


ayurveda-portal.de: Sie sind ein bekannter Lehrer und anerkannter Arzt. Haben Sie selbst noch einen Meister, einen Lehrer bzw. Guru?

Dr. Vasant Lad:
Ja, denn der Ayurveda trägt in sich die Lehrer-Schüler-Tradition. Es wird mündlich überliefert. Ich habe also Ayurveda vornehmlich von meinem Lehrer (Guru) gelernt. Mein Guru ist jedoch verstorben. Aber er ist noch in meinen Gedanken. Seine Lehren waren großartig. Und noch immer habe ich diesen Guru in mir, ich folge seinen Fußspuren und der Ayurveda, den ich praktiziere, ist der meines Gurus.


ayurveda-portal.de: Wo kann man von Ihnen ärztliche Konsultationen erhalten?

Dr. Vasant Lad :
Einmal im Jahr und zwar immer Ende Juli bin ich hier im Ayurveda-Haus in Bell bei Dr. Karin Gramminger um für die europäischen Ärzte und Ayurveda-Therapeuten ein 5 tägiges Fortbildungsseminar abzuhalten. Im Anschluss daran kann ich konsultiert werden. Die wenigen Termine sind immer direkt ausgebucht (Anmerkung von Dr. Grammminger). Die meiste Zeit verbringe ich jedoch in Albuquerque. Von Januar bis Juli lehre ich dort Ayurveda, gebe Seminare, halte Konsultationen ab und mache Panchakarma.
Zwischen August/September und November/Dezember bin ich dann in Indien, wo ich sehr beschäftigt bin. Sobald ich dort bin, öffne ich meine Klinik und behandele zwischen fünfzig und siebzig Personen pro Tag. Sie können auch gerne dorthin kommen.


ayurveda-portal.de: Geben Sie auch Ayurveda-Unterricht in Indien?

Dr. Vasant Lad:
Es gibt ein spezielles Gurukula – Programm für solche Studenten, die bei mir in England, Amerika und Deutschland studiert haben und sich im letzten Teil der Ayurveda-Ausbildung befinden. Auf Einladung kommen diese Ärzte und Therapeuten zu mir nach Poona, um mehr klinische Praxis zu erhalten. Es handelt sich um einen 6-Wochen-Kurs.


ayurveda-portal.de: Gibt es etwas, dass Sie unseren Besuchern des Ayurveda-Portals noch auf ihren Weg zu Ayurveda mitgeben möchten?

Dr. Vasant Lad:
Ayurveda ist nicht nur eine medizinische Wissenschaft. Es ist eine besondere Art des Lebens, in Harmonie mit der Natur und der Umgebung zu leben. Der Ayurveda beschreibt vier Säulen des Lebens: dharma, ata, kama und moksha. Dharma bedeutet die rechtschaffende Pflicht, ata ist der monetäre Erfolg, Kama meint die Erfüllung, und das Ultimative - moksha, ist die Erleuchtung. Indem man die Grundregeln des Ayurveda befolgt, wird man diese vier Säulen des Lebens erreichen. Ayurveda umschließt das menschliche Wesen vollständig. Ayurveda heilt das Leben auf allen Ebenen – und heil (gesund) zu sein, heißt, heilig zu sein – Ayurveda macht unser Leben heilig. Verstärke also diese ganzheitliche Qualität im System „Körper, Geist und Bewusstsein“. Das sind die Ziele, worum es in unserem Leben geht.
Ayurveda hat mein Leben verändert und es ändert unser aller Leben. Es wird Klarheit in unsere Beziehungen bringen, Klarheit bringt Mitgefühl und Mitgefühl bringt Liebe. Aus diesem Grund heilt Ayurveda unsere Beziehungen, denn unser ganzes Leben ist Beziehung. Zu sein, heißt, in Beziehung zu sein, darum ist Ayurveda die Wissenschaft von der Langlebigkeit. Lebe freudig 80 Jahre und mehr, lebe gesund, fröhlich und ganzheitlich, dies sind die Ziele des Lebens.


ayurveda-portal.de: Vielen Dank für dieses Interview und für Ihre abschließenden Worte.



Kontakt:

www.ayurveda.com



Folgende Bücher von Vasant Lad sind bisher erschienen:

 

Das große Ayurveda-Heilbuch, Vasant Lad,
erschienen im Windpferd Verlag (August 2003),
broschiert, € 12,90
Hier können Sie das Buch direkt bestellen.

 

 



Die Ayurweda Pflanzen-Heilkunde, von Vasant Lad und David Frawley,
eschienen im Windpferd Verlag (2000),
broschiert, € 15,90
Hier können Sie das Buch direkt bestellen.

 

 

Selbstheilung mit Ayurveda, von Vasant Lad,
erschienen im O.W.Barth Bei Scherz Verlag (September 1999)
Gebundene Ausgabe, € 29,90
Hier können Sie das Buch direkt bestellen.


Als Hörkassette in Englisch erschienen:

 

Ayurveda: Natural Health Practices for Your Body Type, von Vasant Lad (Dezember 2000),
erschienen bei Sounds True
€ 34,90
Hier können Sie die Hörkassette direkt bestellen.

 

 


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