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Interview mit Dr. Wolfgang Schachinger

Interview mit Dr. Wolfgang Schachinger

03.05.2009 | "Ayurveda muss ganzheitlich verstanden und angewendet werden!" Dr. Wolfgang Schachinger ist Arzt für Allgemeinmedizin und ärztlicher Leiter des Maharishi Ayurveda Gesundheitszentrums in Ried/Innkreis (Oberösterreich). Er ist einer der Pioniere des Ayurveda in Europa und hält seit vielen Jahren Seminare für Ärzte und medizinische Laien in Österreich, Südtirol und Deutschland.

ayurveda-portal.de: Dr. Schachinger, wie sind Sie zu Ayurveda gekommen?

Dr. Schachinger: Ich habe mir schon in den sechziger Jahren als Gymnasiast die ersten Yogabücher gekauft - ich war übrigens furchtbar frustriert, dass ich das nicht so konnte wie*s in den Büchern drin stand (lacht).

1972 bin ich auf dem Landweg nach Indien gefahren, um dieses Indien einfach mal kennen zu lernen, sozusagen zu „inhalieren“. Als ich zurückkam habe ich die transzendentale Meditation (TM) erlernt, dann die TM Lehrerausbildung gemacht und bin so die ersten Schritte in Richtung der vedischen Wissenschaft gegangen.

Parallel dazu habe ich mein Medizinstudium angefangen. Die Grundlagen des Ayurveda waren in den vedischen Studien schon mit enthalten: dass der Körper nicht so stabil ist wie die Physiker das darstellen, sondern dass alles vergänglich ist. Es ist eigentlich der Geist das bewegende Element, nicht der Körper. Das Bewusstsein regiert die Materie und nicht umgekehrt.

1979 beendete ich mein Medizinstudium und 1981, als ich im Krankenhaus bereits als Arzt tätig war, bin ich das erste Mal bei einem Vaidya gewesen, bei Dr. Triguna. Er hat mir den Puls gefühlt und mir daraufhin auf den Kopf zugesagt, wie es bei mir innerlich aussieht - gesundheitlich, charakterlich. Er erkannte was im Gleichgewicht und was im Ungleichgewicht bei mir ist…da wusste ich, dass es das ist, was ich will! Genau das wollte ich auch können. Es war also eine Sekunden-Erfahrung.

Zu der Zeit gab es weder Bücher darüber, noch Lehrer oder Ähnliches. Die Vaidyas in Indien waren damals total verschlossen. Sie wollten das Wissen einfach nicht weitergeben. Die meisten sprachen auch nur wenig Englisch.

Zeitgleich traf sich Maharishi Mahesh Yogi mit Dr. Triguna und sie erkannten:

Ayurveda ist etwas für die ganze Welt. Sie haben intensiv daran gearbeitet, den Ayurveda systematisch und in verständlicher Form darzustellen und vor allem, den Bewusstseinsaspekt von Ayurveda zu würdigen und entsprechend hervorzuheben. Denn Bewusstsein ist das regierende Element, der Körper das sekundäre Element.

Sie luden daraufhin westlich ausgebildete Ärzte ein, um sich mit den Vaidyas zu treffen.

So begannen 1983/84 die ersten Ausbildungen zu Ayurveda. Es war natürlich ein Riesen-Privileg unter den Pionieren zu sein. Wir konnten wochenlang mit den Vaidyas darüber diskutieren, wie das mit dem Puls fühlen geht. Die Vaidyas hatten oftmals geistige Konzepte, die sie aber nicht in Worte fassen konnten. Sie hatten das von ihrem Großvater, und von ihrem Vater von Kindesbeinen an gelernt. Sie wussten genau wie es geht, aber sie hatten große Schwierigkeiten, uns diese Konzepte zu vermitteln.

 

ayurveda-portal.de: Wie sehen Sie in die Entwicklung von Ayurveda in Europa und in Indien?

Dr. Schachinger: Man kann auf jeden Fall feststellen, dass es in beiden Bereichen eine Entwicklung gibt. Ayurveda hat durch die Anwendungen des Ayurveda im Westen in Indien einen größeren Stellenwert bekommen. Aber der Stellenwert ist noch immer viel zu gering. Es gibt circa 500.000 Vaidyas und circa 500.000 westlich ausgebildete Ärzte. Die indische

Regierung gab bisher 95% ihres Budgets für Gesundheit für westliche Medizin aus und nur 5% für Ayurveda. Sie haben es jetzt zwar um 3% erhöht also auf 8% und sie planen das auch weiter zu erhöhen. Aber es ist noch immer marginal.

Das heißt also, auch Indien muss sich bezüglich des Ayurveda weiterentwickeln. Es gibt auch positive Entwicklungen so z.B. traditionelle Vaidyas, die auf das Lernen der traditionellen Texte sehr viel Wert legen und darauf achten, dass die traditionellen Methoden eingehalten werden. Und es gibt die ganz modernen Vaidyas, die sehr stark auch westliche Diagnostikmethoden mit dem Ayurveda kombinieren. Das ist schon eine tolle Sache.

Ich denke, das wird auch der Weg sein - das Miteinander von der modernen Medizin und dem Ayurveda. Ich sehe dabei Ayurveda als Basismedizin. Die Schulmedizin, die ja viel teurer, viel komplizierter und viel aufwendiger ist, sollte für die komplizierten Fälle oder die Akut-Medizin vorbehalten sein.

In Europa sehe ich es eher zwiespältig: auf der einen Seite ist das natürlich toll, dass es Ayurveda überhaupt gibt. Leider hat sich der Ayurveda sehr stark in einem nicht medizinischen Bereich etabliert. Damit meine ich den Wellness- und den Kosmetikbereich. Hier wird untert dem Begriff Ayurveda sehr viel verkauft. Dabei werden oft Teilbereiche herausgenommen, die dann nicht mehr im vedischen Gesamtkontext stehen, bei dem es um vollkommene Gesundheit, Bewusstseins-Entwicklung und Balance geht.

Die größte Herausforderung für den Ayurveda in Europa ist sicherlich, den Ayurveda als Basismedizin zu etablieren. Die Herausforderung gelingt meiner Meinung nach dadurch, dass man viele Ärzte für Ayurveda begeistert. Denn letztlich ist das Gesundheitssystem in den Händen von Ärzten. Man kann nicht Ayurveda als Medizin etablieren und die Ärzte außen vor lassen, das ist völlig unmöglich.

 

ayurveda-portal.de: Sind die alten ayurvedischen Texte hier im Westen anwendbar?

Dr. Schachinger: Ich sehe die alten ayurvedischen Texte als Offenbarungs- und Überlieferungswissen und als Klangkörper. Veda ist Klang. Und die Wirkung der vedischen Texte ist im Klang. Natürlich gibt es dazu auch Übersetzungen, aber die Übersetzungen werden bei uns langfristig sicher zu anderen Anwendungen führen als in Indien. Eine bestimmte Heilpflanze schaut bei uns möglicherweise anders aus als in Indien. Das ist eine Sache die sich erst entwickeln muss. Der Ayurveda ist innerhalb von Indien vom Norden nach Süden gewandert und zum Beispiel ist die Pflanze Brahmi in Nordindien eine andere Pflanze als in Südindien. Möglicherweise ist es in Europa nochmals eine andere Pflanze. Aber das sind Dinge, die sich nicht von heute auf morgen entwickeln werden, sondern da wird noch ganz viel Zeit vergehen.

 

ayurveda-portal.de: Was sind zurzeit Ihre Projekte bezüglich des Ayurveda, neben der relativ neu gegründeten Deutschen Akademie für Ayurveda?

Dr. Schachinger: Ja, das ist richtig, die Akademie ist ein Projekt mit dem ich mich beschäftige.
Dann habe ich meine Gruppenpraxis zusammen mit Frau Dr. Brigitte Schano-Plonka. An die Praxis angeschlossen ist eine ayurvedische Tagesklinik, in der wir vollständige Panchakarma-Kuren anbieten. Das heißt die Gäste, die von auswärts kommen, werden in nahe gelegenen Hotels untergebracht und machen dann bei uns ihre vollständige Kur. Dies macht ca. 90% unserer Patienten aus. Ein kleinerer Bereich der Tagesklinik ist die Sektion für SPA-Anwendungen. Zum Unterschied: in der Tagesklinik kommt der Patient zunächst zu mir und lässt sich den Puls fühlen und ich entscheide den weiteren Verlauf. Im Spa-Bereich kommt der Klient mit einer Liste von bestimmten Anwendungen und möchte diese dann durchführen. Wir wollen da offen sein für beide Möglichkeiten und Richtungen.

Und es gibt ein weiteres, für mich wichtiges Projekt: vor ein paar Jahren wurde von einer holländischen Maharishi-Stiftung in unmittelbarer Nähe vom Ried, circa 20 km entfernt von meiner Praxis, ein großes Grundstück erworben. Dort soll ein wunderschönes Ayurvedisches Hospital, eine Klinik oder ein Institut etabliert werden. Eines meiner Nahziele ist, das Objekt in vedischer Architektur zu gestalten und es rund um perfekt zu machen. Das Wunderbare an diesem Grundstück ist, dass es eigenes Thermalwasser hat. Es wäre daher eine Kombination von Ayurveda also „sanum per oleum“ (Heilung durch Öl), einem SPA „sanum per aquam“ (Thermalwasser) und in gewissem Maß auch mit moderner westlicher Diagnostik möglich. Dieses Projekt ist in der Entwicklungsphase und ich denke, dass es demnächst lanciert werden kann.

Ein weiteres Projekt von mir ist die erste europaweit tätige Ärztegesellschaft EURAMA (European Ayurveda Medical Association: www.eurama.net oder www.ayurveda-association.eu ). Diese Gesellschaft soll den Ärzten und den im Gesundheitssystem Verantwortlichen den Ayurveda nahe bringen.

Sie hat drei Ziele: Standards in wissenschaftlichen Untersuchungen für Ayurveda zu setzen, Standards in Ausbildungen zu setzen und Standards in der Kontrolle und Qualität von Therapien fest zu legen. Zurzeit hat die Gesellschaft ca. 40 Mitglieder aus ca. 10 verschiedenen europäischen Ländern.

 

ayurveda-portal.de: Haben Sie eigentlich noch einen persönlichen Ayurveda Lehrer?

Dr. Schachinger: Am meisten lerne ich von Dr. Raju. Grundsätzlich ist aber jede Begegnung mit einem gut ausgebildeten Vaidya für mich eine Bereicherung, denn immer wieder springt etwas Neues über. Und mit gut ausgebildet meine ich sowohl die traditionsreichen, familiären Ausbildungen als auch die guten akademischen Ausbildungen, wie zum Beispiel an der Gujarat- oder Tilak-Universität.

 

ayurveda-portal.de: Eine Frage noch in eigener Sache: wie finden Sie das ayurveda-portal?

Dr. Schachinger: Das Ayurveda-Portal ist ein wichtiges Instrument, um die Ayurveda-Familie, die aus verschiedenen Gruppierungen und Richtungen besteht, zusammenzubringen. Gemeinsame Ideen und Interessen können auf dieser Internetplattform publiziert und vertreten werden. Das macht es für die Besucher und Nutzer so wertvoll.

 

ayurveda-portal.de: Gibt es etwas, dass Sie unseren Besuchern auf ihrem Weg mit Ayurveda mitgeben möchten?

Dr. Schachinger: Ja, zwei Dinge sind mir wichtig. Erstens, wenn man Ayurveda macht, dann sollte das auf ganzheitliche Art und Weise geschehen. Zweitens ist mir wichtig bei all den vielfältigen Therapiemöglichkeiten die der Ayurveda bietet, nicht zu vergessen, dass der VEDA letztlich ein Konzept ist, das Bewusstsein in den Vordergrund rückt und das Materielle in den Hintergrund. Alle vedischen Anwendungen sind letztlich dazu da, um uns in Richtung Moksha – die Befreiung zu führen. Der Ayurveda lindert unsere körperlichen Bürden, Beschwerden und den Stress, um den Kopf frei zu bekommen, für dieses hohe Ziel.

 

ayurveda-portal.de: Vielen Dank, Dr. Schachinger!

 

Dr. med. Wolfgang Schachinger & Dr. med. Brigitte Schano-Plonka
Gruppenpraxis für Allgemeinmedizin OEG

Bahnhofstraße 19
4910 Ried/ Innkreis

ÖSTERREICH
Tel.: 0043 (0) 7752/86622
Fax.: 0043 (0) 7752/86622-4
Mail: info@ayurvedaarzt.at
www.ayurveda-arzt.at

 

 


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