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Gewichtsverlust – Untergewicht aus Sicht des Ayurveda

Gewichtsverlust – Untergewicht aus Sicht des Ayurveda

18.07.2019 | Aus ayurvedischer Sicht kann man bei einer Tendenz zu Gewichtsverlust – auch Kachexie genannt – keine Pauschalratschläge geben, da das Thema sehr komplex und ernst zugleich ist. Alexander Pollozek, Heilpraktiker und Ayurveda-Spezialist nähert sich diesem Thema mit Hinweisen, welche Faktoren zu einer Kachexie führen können und welche diese begünstigen.

Entstehung und Entwicklung einer Kachexie - Pathogenese

Bei einem für den oder die Betreffende zunächst nicht erklärbaren Gewichtsverlust - trotz ausreichender Ernährung – müssen zu allererst folgende pathogenetischen Faktoren betrachtet werden:

  1. Konsumierende Erkrankungen wie zurückliegende oder akute Krebserkrankungen (Malignome) oder Infektionskrankheiten wie Hepatitis, Tbc, AIDS, bakterielle oder Virusinfektionen, parasitäre Erkrankungen (evt. Mit chronischen Durchfällen), Allergien/Intoleranzen oder Autoimmunerkrankungen

  2. Seelische Konflikte die mit Essstörungen (Bulimie oder Anorexia nervosa) oder chronischer Appetitlosigkeit einhergehen. Auslöser dafür können bestehende oder frühere Eltern-Kind-Konflikte sein, aber auch (frühkindliche) traumatische Erlebnisse, der Verlust von Familienmitgliedern, Lebenspartnern oder engen Freunden sowie pränatale Schocks/Traumen, Liebeskummer, Einsamkeit, Trauer, ständige Sorgen oder auch zu viel geistige Aktivität bzw. Überreizung der Sinne

  3. Langfristiger Konsum von Drogen(Amphetamine, Aufputschmittel), Marihuana, Tabakwaren, Stimulanzien wie Kaffee, schwarzer Tee, Coca Cola, Kakao aber auch regelmäßiger Alkoholkonsum, insbesondere harte Getränke

  4. Die eigene Körper-Geist- Konstitution, das genetische Strickmuster spielt im Grunde meist die Hauptrolle. Die uns innewohnende, unveränderliche Natur (= Prakruti) ist mit dem 18. Lebensjahr feststellbar durch einen Ayurveda-Spezialisten. Er kann den exakten genetischen Code mittels eingehender Pulsdiagnose, Untersuchung und Befragung herausfinden. Ohne eine genaue Benennung der Prakruti eines Menschen zielen allgemeine Ratschläge meist ins Leere und gehen oft am ursprünglichen Thema vorbei. Einen ersten Hinweis auf Ihre Konstitution können Sie in diesem Dosha-Test erfahren.

    Die individuelle Konstitution eines Menschen, der zu Gewichtsverlust neigt, wirft sofort ein Licht auf seine potentiellen genetischen Schwachpunkte, seine möglichen Neigungen und Ticks, seine negativen Gedanken- und Gewohnheitsmuster, seine emotionalen Schwächen und seelischen Defizite. Dadurch lässt sich das Problem schneller einkreisen. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass man den Beruf, die Interessen, das soziale Umfeld, das Bewegungsprofil, die Ess- und Schlafgewohnheiten dieses Menschen genauer unter die Lupe nimmt. Meist findet man dann Phasen in der Biografie, wo sich bestimmte schicksalshafte Ereignisse (Unfälle, Jobverlust, Beziehungskonflikte, Todesfälle etc.) auf dramatische Weise verdichten und zu Lebenskrisen oder gar einem Burnout und damit einem psychischen Belastungssyndrom führen können. Das ist dann oftmals der Wendepunkt, an dem eine gesundheitliche Störung (Stoffwechselstörung) ihren Verlauf nimmt.

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Photo by Vladislav Muslakov on Unsplash

Untergewicht kann durchaus auch zu einer Krankheit werden

Dies wird jedoch in unserem Kulturkreis nicht als eine solche angesehen. Permanentes Untergewicht oder Gewichtsmangel verursachen langfristig eine Abwehrschwäche, einen Verlust an Vitalität, steigende Nervosität, Unruhe und Schlafstörungen. Folgen davon sind Appetitverlust, Neigung zu depressiver Verstimmung, Unwohlsein und/oder psychischer Labilität. Körperlicher Gewichtsverlust kann auch einhergehen mit dem Abbau von Körpergeweben wie Haar-/Zahnverlust, Knochen- und Gelenkschwäche, Libidoverlust oder ähnliche Anzeichen frühzeitigen Alterns. Eine übertriebene Unterdrückung des Verdauungsfeuers Agni durch langes Fasten, spezielle, zu radikale Diäten können zu einer chronischen Unterversorgung der Körpergewebe führen; genauso wie unregelmäßig zu essen, große Pausen und dann zu viel essen auf einmal, oder zu leichtes Essen (Salate, Rohkost, Kaltes, Aufgewärmtes, Mikrowellennahrung, Sandwiches, Weißmehlprodukte, Kuchen, Fastfood).
 

Andere Faktoren, die eine Kachexie begünstigen

Chronischer Stress, Überarbeitung, Schlafdefizit, zu spät ins Bett gehen, regelmäßiger Kaffeekonsum, zu viel Sport, zu viel sexuelle Aktivität (mehr als 1-2 Mal pro Woche insbesondere für Vata-Typen!)

Was die Ernährung anbelangt, ist bei Untergewichtigen zunächst einmal folgende Feststellung zu machen: Es geht weniger um das Essen als vielmehr um den Esser selbst.

In Indien ist der Ayurveda eine Volksmedizin, die auch als Allgemeinmedizin oder „Kayachikitsa“ bezeichnet wird. ‚Kaya‘ bedeutet ‚Körper‘. ‚Chikitsa‘ bedeutet Behandlung von inneren und äußeren Beschwerden. Doch ‚Kaya‘ bedeutet auch ‚Feuer‘, das Stoffwechselfeuer oder innere Feuer Agni. All die vorgenannten Ursachenfaktoren schwächen dieses Agni. Untergewichtige können sich demnach noch so gut und typgemäß ernähren; wenn ihr Agni zu schwach ist, diese Nahrung zu verdauen, dann werden die essentiellen Nahrungsbestandteile nicht in die Gewebe eingeschleust und zu einem Teil des Gewebes, sondern zu Ama. Ama ist unvollständig verdaute Nahrung. So entstehen also vom Körper selbst produzierte Autotoxine infolge chronischer Verdauungsschwäche und damit ein Ballast für den Stoffwechsel.

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Photo by Christian Erfurt on Unsplash

Die Bedeutung des Verdauungsfeuers für Untergewichtige

Untergewichtige welche sich falsch ernähren, behandeln ihr geschwächtes inneres Feuer wie wenn man frisch geschnittene Zweige und grüne Blätter auf ein Feuer wirft. Die Flammen werden erstickt und das Feuer beginnt zu schwelen, aber nichts verascht mehr richtig. Untergewichtige welche typgemäß und nahrhaft essen, um vermeintlich wieder Gewicht aufzubauen, versuchen – im übertragenen Sinne – mit einem Feuerzeug Holzscheite aus Buche oder Eiche anzuzünden. Hier kommt nicht einmal der Verbrennungsvorgang zustande, da das Feuer nicht die Stärke und Brennkraft hat. Der Ansatz von Kayachikitsa wäre, Maßnahmen zu ergreifen, durch spezielle, die Verdauungskraft und das Agni anregende Arzneien und tonisierende Kräutermischungen das Feuer wieder zu entfachen. Hier wird dann eine gezielte, auf die individuelle Konstitution und Verdauungskraft abgestimmte Ernährungsberatung sehr effektiv sein. Auch spezielle Yogaübungen und Heilrituale können hierbei sehr hilfreich sein, um Körper, Sinne und Geist wieder in Harmonie mit den zirkadianen Rhythmen zu bringen. Gleichzeitig geht es darum, die Ursachenfaktoren zu eliminieren, Fehlverhalten zu korrigieren und gesundheitsfördernde, die innere Natur unterstützende Gewohnheiten zu kultivieren. Dies muss je nach Konstitution individuell erfolgen, denn jeder Konstitutionstyp hat seine spezifische, innewohnende Stoffwechselkraft, die berücksichtigt werden muss.

 

Pauschalempfehlungen helfen nicht

Somit ist hoffentlich ein wenig klar geworden, warum Pauschalempfehlungen bei ernsthafteren Störungen oder gar Krankheiten nicht zielführend sind.

Außerdem muss man sagen, dass der Ayurveda nach wie vor keine im Westen wissenschaftlich anerkannte Heilmethode ist. Somit hat er eine Menge an Seriosität und Ruf zu verlieren, gerade, wenn man hier einfach mit, zwar gut gemeinten, aber doch allgemeinen Hausrezepten herumzudoktern versucht.

Suchen Sie deshalb bei Interesse lieber einen Ayurvedaarzt in Ihrer Umgebung auf und klären Sie Ihre persönlichen Beschwerden direkt mit ihm ab.

 

Vergessen Sie eines nicht: jede Krankheit und jeder Patient sind individuell zu betrachten

Aus ganzheitlicher Sicht ist eine Krankheit ein falsch eingeschlagener Lebensweg, der zu einem bestimmten „Zielpunkt“, z.B. namens „Kachexie“, führt. Doch so wie es auf einen Berggipfel verschiedene Routen gibt, so verhält es auch mit einer Krankheit. Jede Krankheit ist ein ganz individueller Prozess von Entscheidungen, Unterlassungen und Fehlurteilen. Somit kommt es im Ayurveda nicht selten vor, dass beispielsweise 10 Rheumatiker zehn verschiedene Therapiepläne bekommen, die eben auf ihre ganz individuelle Natur, Lebenssituation und Befindlichkeit abgestimmt sind.

 

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HP Alexander Pollozek

Dieser Artikel wurde mit freundlicher Genehmigung von Alexander Pollozek auf unserem Ayurveda-Portal veröffentlicht und ist bereits erschienen auf seiner Webseite unter https://apollozek.com/gewichtsverlust-untergewicht/

 

Titelbild: Photo by i yunmai on Unsplash


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