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Kerstin Rosenberg, Europäische Akademie für Ayurveda

01.04.2005 |

1. Welche Bedeutung hat die Ernährung im Ayurveda ? Welches Potential hat sie ?

Die richtige Ernährung ist ein Grundpfeiler der ganzheitlichen Ayurveda-Therapie, Heilkunde und Lebesweise. Über 50% des Therapieerfolgs hängen von mit richtigen, auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmten Ernährungsweise zusammen. Auf direkte Weise werden die Doshas, Dhatus, Srotas und Agni beeinflußt, bzw. gebildet. In diesem Sinne ist unser ganzer Körper und desssen Wohlergehen u.a. ein Resultat des täglichen Essens. Ebenso wirkt sich die Ernährung des Einzelnen auf seine Psyche, seine spirituelle Entwicklung und sein persönliches Lebensgefühl aus.

Für mich selbst ist die Ernährung eine der besten ayurvedischen Therapiemethoden, mit denen wir auf vergleichweise einfache Weise Selbstverantwortung für unsere Gesundheit und unser Wohlergehen übernehmen können.


2. Viele Menschen sehen die ayurvedische Ernährung sehr eng verknüpft mit der indischen bzw. singalesischen Küche. Wie ist Ihre Meinung dazu ?

Das in den Ursprungsländern des Ayurveda die ayurvedische Küche auch auf die dortigen Lebensgewohnheiten, Nahrungsmittel und Geschmackskomponenten abgestimmt wird, ist verständlich. Doch oftmals wird (zu unrecht) eine vegetarische indische oder singalesische Küche als Ayurveda verkauft!
Um sich ayurvedisch zu ernähren, ist es nicht notwendig, den Magen und die Geschmacksvorlieben vollkommen auf Asia-Food umzustellen. Vielmehr lehrt uns die ayurvedische Ernährung, wie wir die tägliche Nahrung auf intelligente und ganzheitliche Weise entsprechend unserer Konstitution, Kultur und Lebensgewohnheiten optimieren können.  Grundsätzlich lehrt Ayurveda, daß alle Nahrungsmittel (Gemüse, Früchte, Getreide usw), die in unserer Umgebung wachsen, unserer Gesundheit besonders zuträglich sind. In diesem Sinne ist es meiner Meinung nach nicht sinnvoll, wenn Westeuropäer ihre ayurvedische Ernährung nur noch mit Okras, Mungobohnen, Mango und Basmati-Reis gestalten. Vielmehr sollten wir lernen, die Grundprinzipien der Ayurveda-Ernährung (Rasa, Guna, Vipaka usw.) auf unsere hiesigen Nahrungsmittel und Zubereitungsformen umzusetzen und anzuwenden. Auf gewissen „typisch indisch oder singalesische“ Nahrungsmittel und Gewürze kann eine  hochwertige Ayurveda-Küche aber nicht verzichten. So ist z.B. die Mungobohne die einzige Hülsenfrucht ohne Vata-erhöhende Wirkung und die klassischen Gewürze der Ayurveda-Küche wie Ingwer, Kreizkümmel, Koriander, Kurkuma oder Hing haben eine einzigartige Wirkung auf den Stoffwechsel (Agni).


Zusatzfrage: Gibt es Beispiele dafür, dass der Einfluss des indisch/singalesischen Kulturkreises die ayurvedischen Ernährungsempfehlungen (einseitig) geprägt hat…(z.Bsp. Chutney ? Lassi ? Dal ?) ?

Viele Ayurveda-Ernährungsempfelungen haben einen höheren Sinn und wurden dann von den jeweiligen Regional-Küchen der Ursprungsländer integriert. So dient z.B. ein Chutney der harmonischen Befriedigung aller 6 Geschmacksrichtungen und wertet damit ein Essen sowohl kulinarisch als auch gesundheitlich auf. Wir können dieses Prinzip der ausgewogenen Geschmacksrichtungen aber genauso gut auf unsere Salatsoße, Pesto für Pasta oder die Zusammenstellung von verschiedenen Speisen beziehen.


3. Welche Bedeutung haben Milch, Sahne und Co. in der ayurvedischen Ernährung ?

Über die Wirkung und den Einsatz von Milchprodukten gibt es entsprechend der ayurevedischen Schulen verschiedene Auffassungen und Prioritäten. Grundsätzlich liebt die ayurvedische Ernährung die Milch und sie wird als sattvisches Nahrungsmittel, als Rasayana (Verjüngungsmittel) und als aufbauende Heilkost eingesetzt.
Wichtig für den Genuß und die Heilkraft von Milch ist, daß wir spezielle Ernährungsregeln beachten, wie z.B. die Mich immer alleine zu sich nehmen, sie vor dem Verzehr erwärmen und mit Gewürzen leichter verdaulich machen und keinesfalls mit Fleisch, Fisch oder sauren Früchten mischen,
Andere Milchprodukte wie Sahne, Joghurt, Käse usw. haben eher eine Negativ-Wirkung, da sie das Srota-System des Körpers stark belasten und oft Verursacher, bzw. Verstärker verschiedener Beschwerdebilder (wie Rheuma, Hautbeschwerden u.a.) sind.


4. Empfiehlt der Ayurveda eine vegetarische Ernährung ? Wie ist Ihr Standpunkt ?

Die klassischen Ayurveda-Schriften gehen sehr detailiert auf die Wirkung und Eigenschaften von Fleisch ein. Auf der körperlichen Ebene ist aus ayurvedischer Sicht gegen den mäßigen Genuß von Geflügel oder Fisch nichts einzuwenden. Für die spirituelle Entwicklung ist die vegatarische Ernährung allerdings von großem Vorteil. Aus diesem Grunde sind auch alle spirituell und religös geprägten Ayurveda-Traditonen strikte Vegetarier.
Ich selbst rate vielen meiner Patienten davon ab, radikal alle tierischen Eiweiße zu vermeiden. Oftmals sind die Menschen körperlich ausgezehrt und benötigen innere Stabilität, Substanz und Belastungsfähigkeit. Wenn wir viel aufbauende Energie aus unserer Nahrung benötigen, sollten wir entweder täglich Hülsenfrüchte und Nüsse essen oder 1x pro Woche den Speiseplan mit tierischen Eiweiß wie Huhn oder Fisch ergänzen. Die ayurvedische Ernährung ist keine Religon, deshalb lasse ich meine Patienten selbst entscheiden, ob sie auf Fleisch vollkommen verzichten oder es auf gesunde Weise weiterhin in ihren Speiseplan integrieren möchten.


5. Welche einfachen Tipps geben Sie einem Einsteiger in die ayurvedische Ernährung ?

Es ist gut und wichtig, langsam in eine neue Ernährungs- und Lebensweise einzusteigen. Das Wissen um die eigene Konstitution und Stoffwechselfunktionen (Agni) sind die Grundlage, um die richtige Ernährung für den persönlichen Typ zu finden. So sollten Ernährungseinsteiger nicht versuchen, alle Ernährungsregeln des Ayurveda auf einmal umzusetzen, sondern durch eine qualifizierte Beratung eine Auswahl der wesentlichen Empfehlungen für die eigenen Bedürfnisse erhalten.


6. Wenn Sie das Grundprinzip der ayurvedischen Ernährung in einem Satz formulieren sollten, wie würde der Satz lauten ?

Ich beschäftige mich seit mehr als 15 Jahren intensiv mit der ayurvedischen Ernährung. Da haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Grundsätze gebildet. Mein Wichtigster in der jetzigen Phase lautet:
Dein Appetit ist der wichtigste Indikator für Deine Gesundheit. Lerne die Signale Deines Körpers richtig zu verstehen, dann sind Deine täglichen Mahlzeiten die beste Medizin.


7. Gibt es etwas, was wir mit unseren Fragen nicht abgedeckt haben, und das Ihnen zu diesem Thema sehr wichtig ist ?

Unsere tägliche Ernährung hat einen großen Einfluß auf unser psychisches Befinden und den feinstofflichen Energiehaushalt. Meine Erfahrung hat gezeigt, daß es oftmals nur möglich ist von alten Ernährungsmustern (wie z.B. Schokolade essen, unregelmäßige Mahlzeiten usw.) loszulassen, wenn wir vorher die emotionalen und psychosomatischen Auslöser für die Gelüste oder Ernährungsgewohnheiten bearbeiten. Damit ist eine Ernährungsumstellung im Sinne des Ayurveda keine Diät, sondern ein ganzheitlicher Prozess, indem wir uns Selbst in Liebe und Achtung wahrnehmen und behandeln lernen. 

www.ayurveda-akademie.org


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