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Sibylle Michaela Balkow, Ayurveda Institut Ojas - Bremen

31.03.2005 |

1. Welche Bedeutung hat die Ernährung im Ayurveda ? Welches Potential hat sie?

Ernährung ist einer der wichtigsten Zweige im Ayurveda. Ich möchte ein Zitat aus der Caraka Samhita I.25.31 anführen: "...Allein durch gute Nahrung gedeiht der Mensch, schlechte Ernährung hingegen ruft Krankheit hervor....". Nahrung ist das essentielle Potenzial eines jeden Lebewesens und natürlich auch das des Menschen. Das Ernährunssystem im Ayurveda sieht durch seine Individualität für jeden einzelnen eine unterschiedliche Ernährung vor. Durch die Gewichtung der Doshas bzw. der einzelnen Elemente, die in jedem Körper in unterschiedlichster Kombination innewohnen, hat jeder die unterschiedlichsten Bedürfnisse. Kein anderes Ernährungssystem bietet diese einzigartige Individualität.

Wenn man die Empfehlungen der ayurvedischen Ernährungslehre annimmt bzw. anwendet, können Krankheiten (je nachdem in welchem Stadium und um welche Krankheiten es sich handelt)  entweder im besten Fall beseitigt oder aber auf jeden Fall positiv begleitet werden. Dies gilt im Besonderen für unsere westlichen Zivilisationskrankheiten, die meistens durch zuviel und falsche Nahrung sowie unangemessene Lebensweise hervorgerufen werden. Auch bei schwerwiegenden Erkrankungen wie z.B. Krebs und Aids kann die Lebensqualität gesteigert werden. Allerdings muß eins auch klar gesagt werden: solche Krankheiten können nur durch angemessene Ernährung nicht geheilt werden. Sie gelten auch im Ayurveda als unheilbar aber mit einer vitalstoffreichen, gesundheitsfördernden Lebens- und Ernährungsweise kann die Gesundheit wahrhaftig stabilisiert werden.


2. Viele Menschen sehen die ayurvedische Ernährung sehr eng verknüpft mit der indischen bzw. singalesischen Küche. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Selbstverständlich wird in der indischen und singalesischen Küche mit den gleichen Gewürzen wie im Ayurveda gekocht. Diese Küche wird hingegen mit "scharf" in Verbindung gebracht und dies differiert ganz klar zur Ayurveda-Küche so wie ich sie verstehe und auch anwende. In der Ayurveda Küche werden alle 6 Geschmacksrichtungen verwendet, damit sie einen therapeutischen Effekt erzielen können, in einer fein abgestimmten Anwendungsweise.  Wie die vedischen Schriften auch ganz klar aussagen, sollte man seine Lebensweise dem eigenen Kulturkreis und Bedingungen anpassen. So haben wir z.B. in Nordeuropa andere klimatische Bedingungen und Ernährungsgewohnheiten als in Südasien. Diesen Bedürfnissen sollten wir gerecht werden. Unser Speiseplan hat solch eine Fülle zu
bieten, die wir möglichst auch ausnutzen sollten. Ein "Lebensmittel" sollte "Leben" spenden, also noch Leben in sich tragen. Daher verwenden wir in unseren Kochkursen, unserer mobilen Seminar- und Kurküche sowie Ayurveda Gourmetküche vorwiegend Produkte aus hiesigem Anbau und möglichst aus ökologischer Landwirtschaft. Die Gewürze können wir nur zum Teil aus ökologischem Anbau bekommen und natürlich auch nicht austauschen, da sie die Grundlage u.a. für die gute Verdau- und Verwertbarkeit der ayurvedischen Speisen sind.


Zusatzfrage: Gibt es Beispiele dafür, dass der Einfluss des indisch/singalesischen Kulturkreises die ayurvedischen Ernährungsempfehlungen (einseitig) geprägt hat…(z.Bsp. Chutney ? Lassi ? Dal ?) ?

Selbstverständlich wird es eine Prägung durch den Einfluß der indisch/singalesischen Küche gegeben haben (auch was die Auswahl der Nahrungsmittel anbelangt), denn der Ayurveda kommt schließlich aus Indien und wurde nach den dortigen Lebensgewohnheiten, -bedingungen und Beobachtungen entwickelt. Grundsätzlich finde ich aber nicht, daß diese Ernährung einseitig ist, wenn man seiner Kreativität "am lebensspendenden, magischen Kochtopf" freien Lauf läßt! Man hat klare Vorgaben, z.B. soll ein Dal die nötige Eiweißquelle ersetzen, wenn vegetarisch gelebt wird und ein Chutney enthält alle 6 Geschmacksrichtungen, vorwiegend allerdings scharf und süß. Hier habe ich noch eine Aussage die die Beschreibung für ein Chutney  treffend formuliert und schön auf den Punkt bringt: "....ein Chutney sollte sooo süß sein, daß man immer mehr davon möchte aber sooo scharf, daß man nicht mehr davon essen kann!...." . Wie schon zuvor gesagt, es sollten die Lebensmittel  aus unserem Lebensumfeld (z.B. Getreide, Gemüse & Obst) verarbeitet werden, dann haben wir keine einseitige Ernährung bei diesem Angebot, hierfür sollten wir dankbar sein!

3. Welche Bedeutung haben Milch, Sahne und Co. in der ayurvedischen Ernährung?

Kuhmilch gilt im Ayurveda als eigenständiges Nahrungsmittel und ist ein klassisches Rasayana (Aufbaumittel). Wir im Westen nehmen Milch eher so nebenbei zu uns: mit anderen Speisen trinken wir ein Glas Milch zusammen, auch z.B. als Milkshake mit Früchten, Desserts, etc. Diese Kombinationen machen Milch schwer verdaulich, grds. sollte Milch immer allein  und niemals mit Fisch, Fleisch, Eiern saurem, salzigem, Bananen, Melonen und Joghurt eingenommen werden. Ausnahmen hiervon sind medizienische Anwendungen mit entsprechenden Kräutern. Auch bei der Milchverträglichkeit wiederum spielt die Gewichtung der Doshas eine wesentliche Rolle. So soll z.B. ein Kapha-dominierter Mensch Kuhmilch eher meiden oder nur sehr selten mit entsprechenden Gewürzen, wie Kardamom, Ingwer oder Kurkuma kombiniert zu sich nehmen. Bei unserer Tierhaltung ist es das sinnvollste, Kuhmilch aus dem Ökohandel zu beziehen, weil diese Milch noch nicht "todbehandelt" wurde. Auf keinen Fall sollte man H-Milch oder homogenisierte Milch zu sich nehmen, dieses Produkt hat mit Milch nicht mehr viel zu tun und verdient das Wort "Lebensmittel" nicht mehr!.Gerne wird im Ayurveda auch mit Joghurt gekocht. Grds. gilt auch hier wieder: sollte eine Dosha-Dominanz vorliegen oder Störungen eines Doshas positiv beeinflußt werden, kann VATA fast alle Milchprodukte verwerten, PITTA idealerweise Milch, Sahne, Ghee, Magerkäse und KAPHA eher keine Milchprodukte außer Buttermilch und Molke. Käse sollte lt. Ayurveda genau wie Eier eher selten gegessen werden, da beides schwer verdaulich ist und die "Srotas" blockiert.


4. Empfiehlt der Ayurveda eine vegetarische Ernährung? Wie ist Ihr Standpunkt?

Natürlich wird ein Vaidya (vedischer Gelehrter), der vegetarisch aufgewachsen ist, niemals Tiere essen! Aus Achtung der Lebewesen empfiehlt Ayurveda vegetarische Lebensweise (auch in Bezug auf das Karma des Tieres) allerdings mit der Ausnahme: als therapeutische Ernährung bei Abmagerung und gewissen Krankheiten zum Aufbau. Ich persönlich sehe dies ein wenig differenzierter: wir definieren normalerweise alles, was 2 Augen hat und uns ansieht als "Lebewesen". Wie sieht es aber mit einer Möhre oder z.B. Getreide aus? Diese sind natürlich auch Lebewesen, genau wie ein Baum oder eine Mikrobe. Wenn wir aus Achtung KEIN Lebewesen töten sollten bzw. dürften, dann dürfen wir weder Gemüse, etc. essen noch jemals wieder einen Atemzug tun oder einen Schritt auf die Straße wagen, denn in der Raumluft sind Unmengen von Lebewesen, die wir mit jedem Atemzug töten! Ich sehe "Leben" daher mit anderen Augen an. Ich bedanke mich bei allen "Lebewesen", daß ich sie essen darf und sie für mich ihr Leben lassen mussten. Bei Fleisch halte ich es eher mit der therapeutischen Sichtweise: hin und wieder esse ich Fleisch (wenn ich der Meinung bin, mein Körper benötigt Fleisch oder Fisch zum Aufbau, dann merke ich das) aber ausschließlich aus ökologischer Haltung!!! Die Massenware "Tier" auf unserem Speisezettel kann gar nicht gesund sein. Wenn man bedenkt, daß vor 10 Jahren ein Kilo Fleisch schon teurer als heute war, dann staune ich, wenn ich die Angebote der Supermarktketten sehe: "...ein Kilo Rinderbraten für 3,99 Euro....", da müsste eigentlich Jeder merken, daß da irgendetwas nicht stimmen kann und unter diesen Bedingungen auf Fisch- und Fleischkonsum verzichten!

 
5. Welche einfachen Tipps geben Sie einem Einsteiger in die ayurvedische Ernährung?

Ein Ayurveda Kochkurs bei einem engagierten Ayurveda Spezialisten ist meistens ein guter Einstieg, dann hat man einen groben Überblick in Therorie aber vor allen Dingen in der Praxis. Ich  erlebe es sehr häufig in meinen Kochkursen, daß viele von den Teilnehmern bereits ein Ayurveda Kochbuch besitzen aber letztendlich doch nicht richtig damit umzugehen wissen. Ich persönlich empfehle jedem Einsteiger "Step by Step" die Philosophie der Ayurveda Ernährungslehre selbst zu erforschen. Zuviel Veränderung auf einmal führt häufig zu Verwirrung und läßt sich in der Familie nur mit Unverständnis einbringen! Einige Grundgewürze der ayurvedischen Küche sollten ebenso schon bald zur Grundausstatungt gehören, wie selbst gekochtes "Ghee", dies ist ein tolles Erlebnis und man kann mit dem Feuergott "Agni" gleich seinen ersten Kontakt aufnehmen. Für Viele ist es auch schon ein guter Einstieg, mehrmals täglich warme, selbst zubereitete Speisen zu sich zu nehmen und die Hauptmahlzeit auf die Mittagsstunden zwischen 12.00 Uhr - 14.00 Uhr zu legen. Morgens ein Glas heißes Wasser oder auch einen Ingwertee anstatt Kaffee oder Schwarz- und Grüntee, zeigt schon recht bald seine erwünschte Wirkung. Wir leben leider im Zeitalter "...es darf alles nicht zuviel Zeit kosten...", was ich persönlich für sehr bedenklich halte... Im Ayurveda sehen wir kochen eher "als spirituelle Disziplin denn als lästige Pflicht an", diesen Satz halte ich für essentiell und gebe ihn allen meinen Seminarteilnehmern mit auf den "ayurvedischen Weg" .


6. Wenn Sie das Grundprinzip der ayurvedischen Ernährung in einem Satz formulieren sollten, wie würde der Satz lauten?

Jeder sollte das essen, was er auch verdauen und verwerten kann.

7. Gibt es etwas, was wir mit unseren Fragen nicht abgedeckt haben, und das Ihnen zu diesem Thema sehr wichtig ist?

Ja, das die Ernährung nach Ayurveda nicht nur gesund ist sondern auch noch Spaß machen sollte!  Die Philosophie der Ayurveda Ernährungslehre ist für Jeden erlebbar und nicht für einen ausgewählten Personenkreis gedacht.  Auch die Integration in unseren westlichen Kulturkreis kann für Jeden eine Bereicherung sein um so ein erfülltes, vitales und glückliches Leben zu führen. Denn " glücklich zu sein ", das ist das Ziel von Ayurveda.


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