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Der weibliche Zyklus aus ayurvedischer Sicht

Der weibliche Zyklus aus ayurvedischer Sicht

24.03.2016 | von Kerstin Rosenberg: Ayurveda für Frauen ist ein spezielles Gebiet der ayurvedischen Lebenskunde. Es bietet jeder Frau eine große Auswahl an Schönheitsrezepturen zur Vitalisierung, Verjüngung und allgemeinen Körperpflege, die dazu einladen, mit Lust und Inspiration ihre lebensbereichernde Kraft im Inneren und Äußeren kennen zu lernen.

Die Maßnahmen aus Rasayana (Verjüngung), Vajikarana (Aphrodisiaka) und Kayachikitsa (Innere Medizin) befassen sich mit der körperlichen und seelischen Gesundheit von Frauen sowie mit speziellen Behandlungsmethoden und Ernährungsempfehlungen für frauenspezifische Beschwerden während der Menstruation, Schwangerschaft und Menopause.
 

Die Grundlagen des Ayurveda

Im Ayurveda wird jeder Mensch als einzigartiges Individuum angesehen, welches von seinem Ursprung her göttlich ist. Ziel des Lebens ist es, die eigene ursprüngliche Natur wieder zu entdecken und in dieser Erfahrung das Leben positiv zu gestalten.
Die ayurvedische Heilkunde dient als natürlicher Weg, den Körper von Krankheit und inneren Disharmonien zu befreien. Damit wird der Menschen in sein körperliches und seelisches Gleichgewicht zurückgeführt. Ob sich ein Organismus im Gleichgewicht oder im Ungleichgewicht befindet, erkennt man am Zustand der Doshas.
Dosha bedeutet übersetzt Körpersaft oder Bioenergie. Nach der ayurvedischen Lehre gibt es drei Doshas - sie bilden sich aus den fünf Elementen Äther, Luft, Feuer, Wasser und Erde. Durch die Verteilung und Gewichtung von Vata, Pitta und Kapha wird die Struktur des individuellen Körpers und Charakters bestimmt. Die daraus resultierende Konstitution (prakriti) ist eine einzigartige Fassung der individuellen Persönlichkeitsausprägung, welche uns auf allen Lebensebenen begleitet.

Das Vata-Dosha

Vata bildet sich aus Luft und Äther, es verkörpert das Bewegungsprinzip. Es ist kalt, trocken und aktiv. Durch Vata werden alle Bewegungsabläufe im Körper, wie z.B. das Nervensystem, die Atmung und die Gedanken, aktiviert und gesteuert. Ist die Vata-Energie in einem Menschen sehr ausgeprägt, so verfügt er in der Regel über eine sehr schlanke, drahtige und kreative Konstitution. Er ist immer in Bewegung, friert leicht und ist innerlich unruhig und sensibel.

Das Pitta-Dosha

Pitta setzt sich aus Feuer und Wasser zusammen und verkörpert die Umsetzungskraft im Organismus. Dies umfasst vor allem das Verdauungs-, Enzym- und Hormonsystem. Menschen mit einem ausgeprägten Pitta-Anteil sind kraftvoll, zielstrebig und intelligent. Eine große mentale Kraft, leichtes Schwitzen und die Neigung zu  Hautunreinheiten und Entzündungen sind typische Merkmale einer überschäumenden Pitta-Kraft.

Das Kapha-Dosha

Kapha manifestiert sich aus Wasser und Erde. Es steht für die Stabilität und Festigkeit im Menschen und hat die Eigenschaften ölig, kühl, schwer und weich. Es bildet u.a. die feste Knochenstruktur und das Lymphsystem. Beständige, liebevolle und ausdauernde Menschen verfügen über einen hohen Kapha-Anteil. Oft neigen sie zu körperlicher Fülle, Erkältungskrankheiten und Antriebslosigkeit.


Wirkung der Doshas auf den weiblichen Organismus

Je nach Lebenssituation und Ernährung können sich die empfindlichen Doshas in Harmonie oder auch Disharmonie befinden. Die verschiedenen Hormon- und Lebensphasen haben eine intensive Wirkung auf das körperliche und energetische Gleichgewicht des weiblichen Organismus. Potentielle Störfaktoren  wie z.B. Stress, körperliche Überanstrengung, Kaffee, Alkohol usw. bringen die Doshas leicht aus dem Gleichgewicht.
Ein gestörtes Kapha führt z.B. zu Müdigkeit, Depressionen und Lustlosigkeit vor der Menstruation, Zysten und Übelkeit. Eine Vata-Störung zeigt sich unter anderem in einer sehr starken und schmerzhaften Menstruationsblutung, Schlaflosigkeit, Nervosität und starken Wechseljahresbeschwerden.
Gerät das Pitta aus dem Gleichgewicht, so reagiert der Körper mit Übersäuerung, Entzündungen, Myomen und Hitzewallungen.

Täglich bilden sich die Doshas neu aus, und jeden Tag entscheiden wir durch unsere Lebensweise und Ernährung,  inwieweit wir uns im inneren Gleichgewicht befinden oder davon abweichen. Gesundheit, Schönheit und inneres Glück können laut Ayurveda dauerhaft nur erlebt werden, wenn wir uns im Einklang mit der eigenen Dosha-Konstitution befinden und damit unser vollkommenes Persönlichkeitspotential zum Ausdruck bringen.
Nur den wenigsten Menschen gelingt es, ohne ein besonderes Training im Gleichgewicht mit den inneren und äußeren Lebenskräften zu sein. Durch eine falsche Lebenseinstellung, Erziehung und Ernährung haben wir uns von der angeborenen Konstitution entfernt. Wir vergessen, dass unsere natürliche Ausdrucksform ein Teil des Göttlichen ist, und verlieren den Maßstab für die individuell richtige Lebensausrichtung.

Das Leben unserer Gesellschaft ist von Vata- und Pitta-Energien geprägt. Vata-Energien wie Kreativität und Schnelligkeit sowie Pitta-Energien wie Zielgerichtetheit, Konkurrenzkampf und Kraft bestimmen darüber, inwieweit wir dem Alltag gewachsen sind, ob wir Erfolg haben oder nicht. Ein Übermaß an Vata- und Pitta-Energien übt jedoch auf das energetische Gleichgewicht der Frau einen stärkeren Einfluss aus als auf das des Mannes. Frauen sind auf sehr intuitive Weise mit dem lebendigen Strom des Lebens verbunden. Aus dieser inneren Verbindung können Frauen immer wieder neue Lebenskraft, Motivation für den Alltag und spirituelle Weisheit schöpfen. Die Fähigkeit, Leben zu empfangen, zu gebären und zu nähren ist ein direkter Ausdruck der göttlichen Vereinigung im weiblichen Körper. Ein verstärkter Kapha-Anteil gibt der Frau  hierzu die notwendige Konstitution. Dies spiegelt sich energetisch wider und zeigt sich körperlich u.a. in den weichen, weiblichen Formen, der Struktur des Fettgewebes und den psychischen Anlagen zu Mütterlichkeit, Hingabe und spiritueller Sehnsucht.

Diese naturgegebenen Neigungen fließen oft unbewusst in unser Verhalten ein und prägen unser Leben. Können wir diesen Impulsen durch unsere Lebensumstände nicht nachgehen, so gerät unser inneres Gleichgewicht aus dem Gefüge. Durch die von rajas dominierten Alltagsenergien in Beruf und Gesellschaft sammeln viele Frauen ein Übermaß an Vata an. Besonders während unserer Menstruationsblutung oder der Menopause können sich viele Frauen nur sehr schwer gegen diese Energien schützen.
Die Folgen äußern sich in Menstruations- und Wecheljahresbeschwerden, PMS, Migräne und Depressionen. Nur ein liebevolles und geborgenes Umfeld, eine ausgewogene, auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmte Ernährung und ein harmonischer Lebenswandel können von solchen Beschwerden befreien und das innere Gleichgewicht der Frau wiederherstellen. Oft wirken schon kleine Änderungen im Lebensrhythmus Wunder: Um sich von stressbedingten (Vata-) Störungen zu befreien, reichen schon drei regelmäßige Mahlzeiten am Tag, eine liebevolle und bewusste Zubereitung der Speisen und ein tägliches Kurzprogramm mit Atem- und Entspannungsübungen.

Es gibt im Ayurveda eine Fülle von einfach anzuwendenden Methoden, um typische Frauenleiden zu heilen. Da es jedoch dieser Wissenschaft immer darum geht, das Gleichgewicht des ganzen Menschen wieder herzustellen, ist es wichtig, zu wissen, welche energetischen Kräfte im weiblichen Körper während des monatlichen Zyklus wirksam sind. Er übt auf körperlicher wie auf emotionaler Ebene einen großen Einfluss auf das Leben der Frau aus und wirkt auch nach den Wechseljahren in abgeschwächter Form weiter.

 

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Photo by Jake Thacker on Unsplash
 

Der monatliche Zyklus und die Doshas

Die Woche nach der Menstruation ist normalerweise durch Vata bestimmt. In dieser Zeit fühlt sich die Frau leicht, aktiv und beschwingt. Im Laufe der zweiten Woche steigt Pitta an und erreicht seinen Höhepunkt mit dem Eisprung. Jetzt verfügt die Frau über besonders viel Dynamik, innere wie äußere Kraft und erotische Ausstrahlung.
In der dritten Woche verringert sich der Pitta-Einfluss, das Kapha steigt langsam an. Einige Tage vor der Menstruation hat es seinen Höhepunkt erreicht. In dieser Zeit fühlen sich viele Frauen sehr ruhig und ausgeglichen, neigen aber auch zu Kapha-Störungen. Kapha-Störungen äußern sich in einem übermäßigen Bedürfnis nach Schlaf, Heißhunger auf Süßigkeiten, Depressionen und Gewichtszunahme, bedingt durch Wasseransammlungen im Gewebe. Wer unter diesen Beschwerden leidet, sollte alle gesalzenen, fettigen und gebratenen Speisen meiden, viel warmes Wasser trinken (ca. 2 l täglich) und nach dem Mittagessen eine halbe Stunde spazieren gehen.

Bei vielen Frauen liegt die Ursache für eine Kapha-Störung in einer zu schweren und mineralstoffarmen Ernährung. Es kann aber auch sein, dass die Frau ihren naturgegebenen Kapha-Anteil im Alltagsleben zu stark unterdrückt.
Die Menstruationsbeschwerden sind dann wie ein Hilfeschrei des Körpers, welcher signalisiert, dass die weiblichen Anteile mehr zum Ausdruck kommen müssen. In diesem Fall ist es wichtig, mehr Ruhe und Geborgenheit zuzulassen und das weibliche Kapha durch eine liebevolle Behandlung des Körpers zu pflegen. Geben Sie dem Schlafbedürfnis und dem Hunger nach Süßem nach, ohne deshalb Schuldgefühle zu entwickeln. Es entspricht Ihrer weiblichen Natur, sich in dieser Phase des Zyklus zurückzuziehen und zu pflegen.

In der Zeit während der Monatsblutung sind die Doshas im Ungleichgewicht, weshalb hier viele Frauen eher als sonst anfällig für Krankheiten sind. Hier sollten alle körperlichen Anstrengungen und intensiv-energetisierenden Übungen vermieden werden.
 

Gesundheitszustand der Frau an Hand der Blutbeschaffenheit bestimmen

Die Farbe und Beschaffenheit des Blutes sagt viel über den Gesundheitszustand der Frau aus. Das Blut einer gesunden Frau ist rot, geruchlos und leicht auszuwaschen. Starke Blutungen von dunkler Farbe und schmerzhafte Krämpfe während der Menstruation zeigen einen Vata-Überschuss an. Hier helfen warme Ölmassagen, regelmäßige gekochte Mahlzeiten, ein frühes Schlafengehen und die tägliche Einnahme von 1/4 TL zerdrückten  Rettichsamen. Kalte Speisen, Rohkost und zuviel Bewegung sollten gemieden werden.

Riecht das Menstruationsblut stark so liegt ein Pitta-Überschuss vor. In diesem Fall sollten alle scharfen Speisen und Gewürze gemieden werden. Sie brauchen nun eine vitamin- und enzymreiche Kost, welche überwiegend aus frischen Gemüse, Salat und Rohkost bestehen sollte.

Lässt sich das Blut schlecht auswaschen und fühlen Sie sich während dieser Zeit müde und antriebslos, so besteht ein Kapha-Überschuss. Oft liegt dann ein Vitaminmangel (besonders Vitamin B6 und Folsäure) vor. In diesem Fall ist es sehr empfehlenswert, auf Alkohol und Nikotin zu verzichten, einmal pro Woche einen Obst- oder Rohkosttag einzulegen und täglich kaltgepresste Öle und frische Keimlinge zu essen.
 

Ayurveda-Therapie bei Menstruationsbeschwerden

Als traditionelle Therapie gegen Menstruationsbeschwerden werden im  Ayurveda Mandeln, Gartenkresse, Dillsamen, Knoblauch und Muskatnuss verwendet.
Kapha-Typen und Frauen mit PMS empfehle ich, 8 bis 10 eingeweichte und geschälte Mandeln vor dem Frühstück zu verzehren. Bei Schmerzen und Anspannung während der Menstruation helfen Gartenkresse und Muskatnuss. Zerreiben Sie jeweils ca. 1 TL frische Gartenkresse und essen diese über 3 Tage vor und während der Regelblutung. Generell sind mit Muskatnuss gewürzte Speisen bei Schmerzen und verzögerter Menstruation empfehlenswert. Die Einnahme von 1/2 TL Dillsamen (einfach mit dem Mörser mahlen und mit etwas Wasser schlucken) oder 3 Tropfen Dillöl lindern Migräne, Anspannung und Verdauungsbeschwerden.

Frischer Knoblauch gilt im Ayurveda als das beste Verjüngungsmittel. Er hilft bei Beschwerden in der Menopause und Kapha-Störungen während der Menstruation. Ebenso sind fein geriebene Karotten, Safran, Basilikum und Muskat sehr wirksame Aufbaumittel und sollten von jeder Frau ab 40 Jahren regelmäßig mit den Mahlzeiten eingenommen werden.

 

Die Autorin:

Kerstin Rosenberg, geboren 1967, ist eine international bekannte Spezialistin für ayurvedische Ernährung, Kosmetik und Therapie. Seit  vielen Jahren widmet  Kerstin Rosenberg ihr Leben intensiv dem Ayurveda und arbeitet als Ausbildungs- und Seminarleiterin, ganzheitliche Ayurveda Ernährungs- und Gesundheitsberaterin und Ayurveda-Köchin. Als Buchautorin hat sie mittlerweile vier erfolgreiche Ayurveda-Bücher veröffentlicht, die in verschiedene Sprachen übersetzt wurden. Gemeinsam mit ihrem Mann leitet Kerstin Rosenberg die Europäische Akademie für Ayurveda in Birstein, das heute zu einem der renommiertesten Ayurveda -Ausbildungszentren im deutschsprachigen Raum gehört und qualifizierte Fachlehrgänge für Ayurveda-Medizin, Therapie, Massage, Ernährung, Kosmetik und Psychologie anbietet.


Weitere Informationen:

Rosenberg Europäische Akademie für Ayurveda
www.ayurveda-akademie.org

 

Titelbild: Photo by Alex Blăjan on Unsplash


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