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Dr. med Kalyani Nagersheth, Fachärztin für Rehabilitative und Physikalische Medizin, Naturheilverfahren, Ayurveda

31.07.2006 |

1. Wie würden Sie die Abgrenzung von medizinischem Ayurveda zu Wellness definieren?
Medizinisch ist individuell, wellness allgemein.
Im medzinischen Ayurveda steht zunächst eine gründliche Anamnese mit Konstitutionsbestimmung und Erhebung der Krankengeschichte des Patienten im Vordergrund. Aufbauend darauf werden dann in einer eingehenden Beratung die als therapeutisch oder präventiv sinnvoll erachteten ayurvedischen Maßnahmen bzw. Behandlungen mit dem Patienten abgestimmt. Diese reichen von den aus dem Wellness-Bereich bekannten Behandlungen wie Massagen und Stirnölgüsse bis hin zu den eher unangenehmen und in der Öffentlichkeit weniger bekannten ausleitenden Verfahren wie therapeutisches Erbrechen, Abführen und Einläufe. Im Wellnessbereich liegt die Zielsetzung primär auf Entspannung und Erholung vom Alltagsstress, während im medizin. Ayurveda der Schwerpunkt auf einer zielgerichteten Therapie bzw. Prävention liegt.

2. Wie sehen Sie die Rolle des Ayurveda-Arztes und Heilpraktikers gegenüber dem Patienten? Welches Selbstverständnis zeichnet den Arzt oder HP aus
- aus Sicht des Ayurveda

„ (Ein Arzt), der nicht mit der Fackel seines Wissens und seiner Vernunft in das innerste Wesen des Patienten eindringt, (um alle) Fakten herauszufinden, ist nicht (in der Lage) Krankheiten zu behandeln“ (Caraka Samhita, Nidanasthana IV.12)
- aus eigener Sicht
Ein Arzt/HP sollte den oben zitierten Satz als Maßstab für seine Diagnostik und Therapie anlegen und den Patienten nach bestem Wissen und Gewissen in seiner Ganzheitlichkeit und Einzigartigkeit behandeln. Dabei ist es wichtig sowohl die individuelle Konstitution (Sollzustand) zu bestimmen, als auch die aktuellen Ungleichgewichte (Istzustand) der Doshas, Dhatus, Malas und Srotas sowie das Vorhandensein von ama zu analysieren.

3. Welche Rolle spielt Ayurveda im westlichen Gesundheitssystem heute und zukünftig? Welche Risiken und Chancen gibt es? Gibt es Unterstützung oder Hindernisse, sich als Mediziner oder HP mit Ayurveda auseinander zu setzen?
Im Vergleich zur Traditionellen chinesischen Medizin spielt Ayurveda im westlichen Geundheitssystem eher eine untergeordnete Rolle. Die breite Öffentlichkeit verbindet Ayurveda eher mit Wellness als mit Medizin. Leider haben die Negativschlagzeilen über verunreinigte ayurvedische Kräuter auch nicht dazu beigetragen die ayurvedische Medizin in ein besseres Licht zu rücken. Gerade was die Einfuhrbestimmungen und Qualitätskontrollen der ayurvedischen „Medikamente“ angeht, gibt es noch viele Hindernisse zu bewältigen. Da es sehr problemtisch ist, aussagekräftige empirische Studien sowohl über die Wirksamkeit der ayurvedischen Kräuter, als auch der ayurvedischen Therapien als Ganzes durchzuführen, ist auch die Anerkennung des Ayurveda im westlichen Gesundheitssystem schwierig.
Solange Ayurveda von den Krankenkassen nicht anerkannt wird, bleibt diese Behandlungsmethode der weniger wohlhabenden Bevölkerung vorenthalten.

4. Gibt es Krankheitsbilder, die prädestiniert sind für die Behandlung durch Ayurveda und welche?
- generell alle chronischen und psychosomatischen Erkrankungen
- die sog. „Wohlstandserkrankungen“ wie essentielle Hypertonie, Diabetes mellitus II, Adipositas, Hypercholesterinämie
- Asthma bronchiale
- Heuschnupfen
- Rheuma
- Arthrose
- Gynäkologische Erkrankungen.

5. Haben Sie Kenntnisse über Forschungsprojekte zu Ayurveda? Wenn ja, welche?
- Christian Kessler (siehe Internet)
- Dr. Bernd Grauel (siehe Internet)

6. Welche Möglichkeiten sehen Sie, sich weiterzubilden?
- Europäische Akademie für Ayurveda, Birstein (Seminare, Symposien etc.)
- Literatur
- Internet
- Private Lehrer (z.B. in Indien)

7. Reichen aus Ihrer Sicht die Diagnosemöglichkeiten des Ayurveda aus? Oder sollten Ihrer Ansicht nach weitere naturheilkundliche und/oder schulmedizinische Diagnosemethoden hinzugezogen werden?
Die Diagnosemöglichkeiten des Ayurveda sind sehr umfangreich und komplex und müssen nicht durch andere naturheilkundliche Diagnosemethoden ergänzt werden.
Die schulmedizinischen Diagnostikmöglichkeiten sollten hingegen unbedingt genutzt werden, insbesondere um schwerwiegende Erkrankungen ausschließen zu können. Außerdem lassen sich die schulmedizinischen Befunde meist gut auf das ayurvedische Diagnosesystem übertragen (z.B. Hypercholesterinämie: Kapha-Erhöhung). Da der Ayurveda ein in sich schlüssiges Gesundheitssystem ist, welches für alle Menschen und zu allen Zeiten Gültigkeit besitzt, müssen auch die Errungenschaften der modernen Medizin in dieses System integriert werden.

8. Gibt es noch Aspekte, die Ihnen speziell wichtig sind?
Der Arzt begleitet den Patienten lediglich und steht ihm mit Rat zur Seite. Die eigentliche Arbeit muß der Patient selbst leisten. Ayurveda ist nicht wellness, sondern Disziplin.

Kalyani Nagersheth
Vogelweidstr.8
60569 Frankfurt
e-mail: info@ayurveda-ffm.de

www.ayurveda-ffm.de



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